Dienstag, 10. August 2010

Fünfunddreissigster Eintrag

Es war merkwürdig im Bett meines Vaters zu schlafen. Es war so ein Gefühl beklemmender Fremdheit. Irgendwie. Ich hätte genau so gut in einem Hotelzimmer schlafen können. Nur wäre es dort wohl angenehmer gewesen. Stattdessen musste ich immer daran denken, dass auch mein Vater in diesem Bett geschlafen hat. Je länger ich über alles nachdenke, desto mehr ekelt mir vor ihm; sein Lebensstil, sein Geld und wie er von den Dingen davonläuft.

Ich musste nach draussen und mich von der Tristesse dieser Wohnung entziehen. Dass dort die Sonne schien und es angenehm warm war, vermochte meine Stimmung aber nur unwesentlich zu bessern. Es kam mir so vor, als hätte jemand eine grosse Käseglocke über mich gestülpt. Da es bereits schon Mittag war, schlenderte ich zur Piazza vor dem Stadthaus. Dort liess ich mich in einem der zahlreichen Restaurants nieder. Eigentlich hatte ich noch gar keinen Hunger, aber mir kam irgendwie nichts Besseres in den Sinn und so ass ich einfach mal einen Teller Tortelloni Salvia e Burro. Im Nachhinein mag ich mich nicht mehr so recht daran erinnern, aber ich glaube es schmeckte mir.

Die Zeit verging sehr langsam. Als ich fertiggegessen hatte, war es erst so gegen zwei Uhr. Ich versuchte die Zeit tot zu schlagen und durchstreifte deshalb die Altstadt Luganos. Ist eigentlich schon mal jemandem aufgefallen, dass es in allen grösseren Städten dieselben Läden zu geben scheint? Bulgari, Cartier, H&M, Luis Vuitton, Ralph Lauren, Tally Weijl, United Colors of Benetton. Irgendwann kam ich bei einem Juwelier vorbei, der eine Uhr in der Auslage hatte, welche mir sehr gut gefiel. Es war eine Baume & Mercier mit wildledernem Armband und klassischem, eher puritanischen Zifferblatt. Es war ein Occasionsangebot, das nur 600.- kostete. Nun ja, mein Vater hatte mir ja Geld übrig gelassen. Ich kaufte mir die Uhr. Mit den verbleibenden 200.- würde ich mich ja ohne Weiteres noch einige Tage durchschlagen können.

Eine Weile lang empfand ich Freude über den Kauf der Uhr, doch schon bald darauf kehrte irgendwie wieder dieses Gefühl merkwürdiger Leere zurück. Ich ging hinunter zur Seepromenade und ging dieser einfach mal entlang. Selbige mündete an ihrem Ende in einen Park. Dort liess ich mich auf einer schattigen Parkbank nieder und legte mich quer auf sie hin. Ich fühlte mich unbedeutend, schwer und erschöpft und hatte gleichzeitig das Gefühl, dass ich mich in Luft auflösen würde.

Ich schloss meine Augen und lauschte dem Gesang der Vögel, hörte das weit entfernte Brummen der Autos und einzelne Stimmfetzen vorbeipromenierender Parkbesucher. Es dauerte nicht lange und ich schlief ein. Ein wohlig warme, aber nicht klar erkennbare Traumlandschaft entfaltete sich vor meinem inneren Auge. Ich spürte ganz klar die Präsenz irgendeines Wesens, eines weiblichen Wesens, das mit mir war, das meine Hand hielt und mir zu spüren gab, dass sie mich lieben würde und ich versuchte ständig ihr Gesicht zu erkennen, doch ich konnte nicht, es ging nicht. Sie blieb verschwommen und unklar, doch ich spürte sie, ich spürte eine merkwürdige körperliche Verbindung - so als sei sie Teil von mir, so als hätte sie schon immer zu mir gehört und so als hätte ich sie nun endlich gefunden. Der Klang meiner Stimme widerhallt noch immer in meinem Kopf, denn irgendwann fragte ich sie «Bist es du?» und sie antwortete «Ja» und es war gut für mich.

Wie der Traum weiterging, weiss ich nicht mehr genau. Ich mag mich bloss noch daran entsinnen, dass ein selten schönes Glücksgefühl mich durchströmte. Dann irgendwann erwachte ich. Ein wild plärrendes Kleinkind riss mich aus meinen Träumen. Ich empfand es jedoch nicht als weiter schlimm, denn ich schlief gut und gerne eineinhalb Stunden lang. Als ich mich wieder aufrichtete, wurde mir kurz schwarz vor den Augen und ich musste mich konzentrieren, dass ich nicht zu Boden fiel. Langsam und behutsam stand ich auf und ging vorsichtig einige Schritte. Die Käseglocke, die jemand über meinen Körper gestülpt zu haben schien, war noch immer nicht verschwunden. Ich fühlte mich so, als hätte ich gerade erst einige Joints nacheinander geraucht. Langsamen und unsicheren Schrittes ging ich nach Hause und beschloss, mich nochmals ein wenig hinzulegen.

Ich schlief nochmals etwas mehr als eine Stunde. Es ist nun 19 Uhr und ich weiss nicht wirklich, was ich mit dem Abend anfangen soll. Vermutlich werde ich noch ein wenig nach draussen spazieren gehen. Etwas essen vermutlich auch noch.

2 Kommentare:

  1. In Totenstadt kann Nichts wachsen,
    Nacht bebaut die grüne Bezirke.
    Wache, Kind, wache!
    Es kommt ein Mann zum Haus.

    Es läuft das Gerücht um schwarze
    Schein von brennende Schächte.
    Wache, Kind, wache!
    Er öffnet die Tür zum Zimmer.

    Das Mond der Nachkriegszeit fällt
    seine Auge über allen Gärten.
    Wache, Kind, Wache!
    Der König hat er gestürzt.

    Deine Atemwende wird leicht als Tod
    führt Erwartung zur Himmelskapelle.
    Träume, Kind, träume!
    Dein Vater ist immer bei dir.

    Fremde Gedichte

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    Poésie étrangère

    Et, toujours :

    Sur le pont d'Avignon. Le coup frappa l'enfant à la mâchoire. Il resta debout. Souriant. Le tireur: rien. Le fusil: aucun. Et il y avait cette aube et ce soir pleins des expectations les plus brillantes.

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    - Peter Ingestad, Sverige

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