Samstag, 31. Juli 2010

Achtundzwanzigster Eintrag

Nachdem uns klar geworden ist, dass wir hier auf dem Trockenen sitzen und kein weiteres Geld mehr abheben werden können, sassen wir uns zum Hafenbecken runter und besprachen das weitere Vorgehen. Mick und Pedro riefen ihren Eltern an und diese boten uns an, weiteres Geld zu überweisen. Unsere Euphorie über dieses Angebot hielt allerdings nicht lange, als wir erfuhren, dass es gut zwei Tage dauern wird, bis das Geld hier ankommen würde. Das war zu lange. Wir wollten nach Hause. Insbesondere Mick schien das alles langsam aber sicher recht auf die Nieren zu gehen. So beschlossen wir aufzubrechen.
Es kam dann in etwa so, wie wir es uns gedacht hatten; von den 300 Euro, die wir noch hatten, mussten wir knapp 200 für den Aufenthalt auf dem Campingplatz hinblättern. Blieben also noch etwas mehr als 100 übrig. Ob das reichen würde? Keine Ahnung! Wir mussten es einfach irgendwie bis nach Chiasso schaffen. Dort würden wir dann an einem Bankomaten wieder Geld abheben und auftanken können.

Wir beschlossen deshalb, möglichst benzinsparend zu fahren und möglichst viel Ballast abzuwerfen. Auf einem leeren Parkfeld unweit der Hauptstrasse nach Porec entsorgten wir Pfannen, Geschirr, leere Flaschen und auch die inzwischen leere Propangasflache, die sich unter dem Herd befand. Ob das was brachte, wussten wir nicht. Aber immerhin gab es uns ein gutes Gefühl, das Gefühl alles nur Mögliche versucht zu haben.

Dann fuhren wir also nach Hause. Mick und Pedro abwechselnd am Steuer und ich hinten. Ich bin der Einzige von uns, der bisher noch keinen Führerschein besitzt. So döste ich noch ein wenig vor mich hin - so gut das halt ging auf diesen holprigen Strassen.
Auf der Höhe von Triest mussten wir einen ersten Halt einlegen, denn das Benzin ging zum ersten Mal zu Neige. Auf einer Autobahnraststätte kauften wir uns je zwei Bananen, ein Stück Brot und Wasser; das musste für heute reichen. Mit dem verbliebenen Geld tankten wir so viel es nur ging. Immerhin hatten wir nun einen fast ganz vollen Tank und es stellte sich nun bloss noch die grosse Frage, ob das reichen würde. Bevor wir wieder losfuhren, rauchten wir noch eine Zigarette. Wir sassen da auf dem Boden vor unserem Camper und rauchten schweigend vor uns hin. Die Stimmung war deswegen aber keineswegs bedrückend, sondern viel eher war da eine merkwürdige Verbundenheit zwischen uns, wie mir schien. Es war eine leichte Anspannung gepaart mit gesunder Aufregung. Ist dies in etwa das, was man als ein Abenteuer bezeichnet? Womöglich.

Wir stiegen wieder in unseren Camper und fuhren abermals los. Mal ging es flott voran und mal, meist vor Mautstellen, hatte uns der Stau fest im Griff. Und dazwischen folgten immer wieder misstrauische Blicke auf die Benzinanzeige und die Entfernungsangaben auf den Autobahnschildern. Irgendwann kam Mick auf die Idee, dieses dämliche Lied "Gasolina" in den IPod zu schmeissen und dazu "wir haben kein Benzin mehr, ja wir haben bald kein Benzin mehr" zu singen. Nun, das nennt man dann wohl Galgenhumor.
Kurz vor Mailand begann sich die Sonne langsam zu senken. Es war in der Zwischenzeit halb neun. Wir fuhren und fuhren, vorbei an Mailands hässlichem Industriegürtel, vorbei an Mailands hässlicher Vorstadt und vorbei an Mailands hässlicher Innenstadt. Irgendwann hatten wir Mailand hinter uns gelassen und atmeten zum ersten Mal ein wenig auf, als wir feststellten, dass es nur noch rund 40 Kilometer nach Chiasso sind. Aber nur schon wenige Kilometer später fiel die Benzinanzeige auf 0 und unsere Hoffnung, dass wir es trotzdem schaffen würden, wurde nicht wesentlich grösser, als dann auch noch das Benzinkontrolllämpchen zu leuchten begann.

Pedro holte daraufhin die Betriebsanleitung des Campers hervor und begann wie wild darin herumzublättern.

"Noch 21 Kilometer bis Chiasso, oder?"
"---"
"Mick verdammt, wie viel Kilometer noch bis Chiasso? Was stand auf dieser Tafel vorhin?"
"Ja ich glaube es waren 21 Kilometer"
"Es könnte reichen. Die meinen hier, dass die Reserve für 30 Kilometer reichen würde. Geh runter vom Gas Mick, fahr nur 80. Nicht 100. Jeder einzelne scheiss Tropfen Sprit zählt jetzt!"
"Ok..."

Wir zählten die Kilometer und es schien fast so, als würden die Kilometer sich von Minute zu Minute mehr und mehr strecken.

Noch 17 Km...
noch 13 Km...
noch 10 Km...
noch 7 Km...
noch 3 Km...

Und dann plötzlich tauchte der Zoll auf. Die Luft in unserem Bus schien elektrisch geladen zu sein, aber doch sagte niemand ein Schweigenswort. Aber dann, als der Zöllner uns durchgewunken hatte und wir gleich nach dem Zoll eine Tankstelle vorfanden, ging ein riesen Aufschrei durch den Camper - wir hatten es geschafft! Wir hatten es praktisch mit dem letzten Tropfen Benzin geschafft!

Daraufhin tankten wir unseren Camper voll und fuhren weiter in Richtung Gotthard in die tiefe Nacht hinein. Dann um 3 Uhr morgens kamen wir schliesslich endlich zu Hause an und gingen alle schlafen - es war ein tiefer und erholsamer Schlaf.

Freitag, 30. Juli 2010

Siebenundzwanzigster Eintrag

Eigentlich wollten wir ja bleiben und noch weiter gegen Süden fahren, aber irgendwie kam alles ein wenig anders und wir machen uns in Kürze auf, um wieder zurück in die Schweiz zu fahren.

Die ganze Scheisse kam ins Rollen, als wir gestern Abend wieder nach Rovinj ins Städtchen zogen. Wir besuchten Bar nach Bar und tranken Glas nach Glas. Uns war irgendwie danach, da der Tag recht langweilig war. Wir hatten alle schon mindestens 6 Bier und einige Shots intus, als uns aus einer Seitengasse heraus ein Typ anquatschte: «He you guys! Sexy show! Sexy show!» Wir verstanden nicht recht, was der Typ wollte. Jener war nicht gerade sonderlich gross und eher ein Schmächtling. Pedro, der gut einen halben Kopf grösser war, ging auf ihn zu und fragte ihn «What sexy show? You mean we are sexy?» Sein gegenüber antwortete in schlechtem Englisch «No. Girls! Sexy girls! Sexy Show! Come with me and look!» er zeigte mit der einen Hand in Richtung der schmalen Seitengasse und deutete uns mit der anderen Hand, ihm zu folgen. Pedro folgte ihm sofort. Ich und Mick zögerten jedoch. Wir pfiffen Pedro zurück und besprachen das weitere Vorgehen. «Der Typ ist doch irgendwie komisch. Wollen wir dem wirklich folgen?» fragte ich, woraufhin Pedro wie aus der Pistole geschossen antwortete «Ja was soll denn schon dabei sein? Wir sind zu dritt und der Zwerg ist allein!» «Hmm» «Ach komm schon! Sei nicht immer so ein Feigling! Ist doch mal ein Erlebnis!» Mick stand daneben und gab einen kurzen, dummen Lacher von sich. Das ärgerte mich irgendwie. Ich wollte nicht als Hasenfuss dastehen und willigte deshalb ein. Währenddessen sprach der obskure Typ irgendetwas von einem «free drink» und deutete uns abermals ihm zu folgen.

Schlussendlich folgten wir ihm. Er lotste uns in eine Sackgasse in der bereits eine handvoll anderer Männer standen und meinte «here wait». Alle standen vor einem bulligen Türsteher mit Stiernacken und hinter diesem wiederum befand sich eine Türe, die er jeweils nach sorgfältiger Musterung eines potentiellen Gastes öffnete. Nach einer Weile kamen schliesslich auch wir an die Reihe und wurden ebenfalls gemustert: «How old?» «18» «18» «19» «Ok, have fun!». Die Tür öffnete sich uns und vor uns erschloss sich ein dunkler Korridor, an dessen Ende sich eine alte Holztreppe befand. Wir tappten hinein und mit uns der merkwürdige Zwergenwuchs. Am oberen Ende jener Holztreppe gelangten wir an so etwas wie ein behelfsmässig gezimmertes Kassenhäuschen. Eine eindeutig zu fest geschminkte Mittvierzigerin erklärte uns, dass wir jeweils 30 Euro für «the show» bezahlen müssten und dass wir aber dazu einen «free drink» erhalten würden. Das war verdammt viel Geld, aber einen Rückzieher konnten wir jetzt irgendwie nicht mehr machen. Also bezahlten wir. Gleich nachdem wir bezahlt hatten, drückte die Puffmutter oder was auch immer sie darstellte, dem Kobold eine Zwanzigernote in die Hand.

Uns war das alles irgendwie überhaupt nicht geheuer. Nachdem wir am Kassenhäuschen vorbei waren, erschloss sich vor uns ein amphitheaterartiger Raum in dessen Mitte sich eine gut beleuchtete Bühne befand und um die herum jeweils dunkle Clubtische platziert waren, an welchen jeweils dunkle und bedrohlich aussehende Gestalten sassen. Ich merkte, dass sogar Pedro sich nicht mehr wohl zu fühlen schien, aber keiner von uns sprach es offen aus. Wir versuchten stattdessen cool zu bleiben und steuerten möglichst routiniert einen der Tische an.

Nach einer kurzen Weile begann unten auf der Bühne so etwas wie eine Show. Leicht bekleidete «Girls» betraten selbige. Schon nach kurzer Zeit liessen sie ihre Hüllen fallen und führten irgendeine Akrobatiknummer vor. Ich glaube die Akrobatik war den meisten im Raum egal. Wir jedenfalls sprachen kaum miteinander und waren jeweils in unsere eigenen Gedanken vertieft. Die Show endete letztlich mit einem Feuerwerksvulkan, der nicht so recht abbrennen wollte und nach kurzer Zeit wieder erlosch. Es folgte verhaltener Applaus und vereinzelte Pfiffe. Danach verschwanden die Mädchen wieder hinter die Bühne und der DJ spielte weitere schlechte Musik.

Wir sassen dann da in unseren Sesseln und starrten vor uns hin. Irgendwann unterbrach Pedro die Stille
«Ich hole uns etwas zu trinken, ok?»
«Ok»
«Ok»

Pedro tauchte im Dunkel des Raumes ab und war verschwunden. Ich fragte Mick, was er von diesem Ort hier haltet. Jener meinte
«Hmm, ich weiss nicht so recht» und schickte sein typisches Idiotenlachen nach. Ich stimmte ihm zu «Ja, ich weiss auch nicht so recht». Danach kehrte wieder Stille ein und wir beide beobachteten die leichten Mädchen, die ihm Raum so umherstanden, vereinzelt zu den Tischen gingen und mit den Gästen über irgendetwas zu verhandeln schienen. Die Mädchem kamen ihrem Aussehen nach von überall her. Afrika, Kroatien, Asien, Russland, Skandinavien. Alles bunt durchmischt. Sie waren allesamt äusserst schön und diese Schönheit war irgendwie angsteinflössend.

Derweil kam Pedro wieder mit drei Drinks in den Händen zurück. Er knallte diese wütend auf den Clubtisch, liess sich in seinen Sessel fallen und schnaubte
«Wisst ihr wieviel die für einen Wodka-Redbull verlangt habe? 20 Euro pro Stück! Die spinnen hier ja komplett»
Mick und ich nahmen die Sache zur Kenntnis, aber verspürten keine grosse Lust sie weiter zu kommentieren. Wie schon zuvor, sassen wir so da, schwiegen und beobachteten das Geschehen. Wobei eigentlich nicht viel geschah. Mädchen traten an den Tisch der Gäste und verhandelten über irgendwas. Einige Mädchen tanzten sodann auf dem Tisch. Andere wiederum verschwanden mit einem Gast an der Hand in einen anderen Raum, der sich hinter einer dunklen Türe befand.

Irgendwann kam schliesslich auch an unseren Tisch ein Mädchen. Sie war blond, zierlich gebaut und sah ziemlich jung aus. Ich glaube, dass sie kaum wesentlich älter als wir war. Das schien auch das Mädchen bemerkt zu haben und es schien sie irgendwie zu verunsichern, denn es wirkte so, als würde sie nicht uns anschauen, sondern durch uns hindurch. Ein kurzes und scheues Lächeln huschte über ihre Lippen. Doch gleich darauf wechselte sie ihre Mimik und Körperhaltung und begann mit uns eine nichtige Konversation. Es schien fast so, als würde sie eine Rolle oder so spielen. Sie heisse Anouschka und sei aus der Ukraine.

Meine äusserst naive und dumme Frage nach dem Grund für ihren Aufenthalt in Kroatien warf sie jedoch wieder aus dieser Rolle. Ihre Körperhaltung veränderte sich abermals und sie schien wieder das junge und schüchterne Mädchen von vorhin zu sein. Ungläubig schaute sie mich an und antwortete nach einer Weile «Holidays». Meine Frage tat mir Leid. Kurz darauf fand Anouschka wieder in ihre Rolle zurück und erklärte uns mit lasziver Stimme, dass sie uns möge und deshalb für uns tanzen werde.

Sie kletterte daraufhin auf unser Clubtischchen und begann ihren Körper zum Rhythmus der schlechten Hintergrundmusik zu bewegen. Sie entkleidete sich langsam und es war schön, ihr dabei zuzusehen. Dass ihr ganzer Körper vor Aufregung fürchterlich zitterte, änderte daran wenig, es machte sie bloss irgendwie furchtbar menschlich. Nachdem Anouschka ihren Tanz beendet hatte, stieg sie vom Tischchen herunter und zog sich ihre knapp bemessenen Kleidungsstücke wieder an.

Anouschka lächelte abermals schüchtern und meinte dann, wir sollten ihr jetzt 100 Euro für die Nummer zahlen. Pedro stiess dies jedoch ganz übel auf und herrschte sie an «Why should we pay? We didn't ask you to dance for us!» Anouschka versuchte sich zu verteidigen «Sure you pay. Everyone pays. It's normal». Bei Pedro fruchtete das jedoch gar nicht und er giftelte weiter «Screw you! We don't pay a cent. Fuck off!»

Es schien so, als würde Pedros Unnachgibigkeit Früchte tragen. Anouschka lief jedenfalls davon, nachdem sie Pedro den Mittelfinger entgegenstreckte und ihm «Fuck you!» an den Kopf warf. Nun, wie gesagt, es schien so, als wäre Pedro mit seiner Taktik erfolgreich gewesen. Doch der Schein trügte. Anouschka kam nach diesem kurzen Intermezzo wieder zurück und brachte drei Bulldozer im Schlepptau mit sich. Die drei Typen platzierten sich hinter uns und packten mit ihrem Metzgerhänden unsere Schultern. Der Grimmigste unter ihnen nahm sich Pedro vor und brummte in sein Ohr
«You are nice guys and pay now this nice girl 100 Euro. Each of you!»
Pedro liess sich jedoch nicht einschüchtern, starrte den Bullen an und antwortete gehässig
«No! We won't pay any cent! We didn't ask her to dance and so that's not our business!»
Pedros Antwort kam nicht gut an. Der Zerstörer packte kurzerhand Pedros Kopf und schmetterte ihn gegen die Tischkante. Pedro schrie auf und presste schützend die Hände vor sein Gesicht. Zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor. Abermals richtete der Metzger das Wort an Pedro
«Will you pay now?»
Anouschka, die alles ebenfalls mitangesehen hatte, stand daneben und verbarg schluchzend ihr Gesicht in ihren Händen.

Pedro murmelte indes «Yes, Yes, Yes, but stop it!» zwischen seinen verbluteten Händen hervor und griff nach seiner Brieftasche. Wir taten es ihm gleich, da wir wirklich keine Lust auf eine ähnliche Abreibung hatten. Daraufhin meinte der Kastenschrank «Good guys, good guys» und warf Pedro ein bereits gebrauchtes Taschentuch zu und lachte «for your nose».

Wir verliessen diesen Ort, so schnell es nur ging. Kaum waren wir draussen auf der Strasse, trafen wir jedoch wieder auf den Kobold, der uns in diesen Schuppen gelockt hatte. In diesem Moment rastete Pedro aus und rannte auf den Zwergenwuchs zu. Ohne weitere Worte packte er diesen und drückte ihn gegen eine Wand. Dieser reagierte jedoch blitzschnell und Pedro sah sich auf einmal mit einem Stellmesser konfrontiert, dass der Zwerg gegen seine Halsschlagader drückte. Pedro liess sofort von ihm ab und rannte davon - wir ihm hinterher. Das alles war ziemlich verstörend und wir haben uns geschworen, nie mehr einen solchen Schuppen aufzusuchen...

Aber... es damit hatte es sich noch nicht. Heute morgen, als wir unsere Brieftaschen wieder mit neuem Geld auffüllen wollten, erlebten wir eine weitere Überraschung: Wir konnten so gut wie kein Geld mehr abheben. Der Bankomat frotzelte etwas von aufgebrauchtem Kreditlimit. Nur konnte das gar nicht sein, da wir alle noch genug Geld auf unseren Konti hatten! Deshalb ruften wir die Bank an und erkundigten uns nach dem Grund für diesen Bullshit. Nun, im Ausland habe man ein tieferes Bezugslimit und wir könnten es leider nicht telefonisch erhöhen. Wir müssten hierzu bei der Bank vorbeikommen. Dummes Arschloch! Wie soll das gehen, wenn wir hier festsitzen?!

Das war der Moment des kompletten Zusammenbruchs. Mick rastete aus - etwas, das ich noch nie erlebt hatte. Er trat wuchtig gegen eine öffentliche Mülltonne, sodass diese unter der Wirkung von Micks Tritt über den Platz sauste und seinen Inhalt quer über selbigem verstreute. Verdutzte Touristen, starrten uns im Vorbeigehend gleichermassen fragend, wie entsetzt an. Mick schrie herum «Das kann doch nicht wahr sein! Verdammte scheisse» und sackte an der Mauer neben dem Bankomaten zusammen. Weinerlich jammerte er «ich will nach Hause. Ständig widerfährt uns irgendwelche Scheisse». Ich versuchte Mick zu beruhigen und erklärte ihm, dass wir nach Hause fahren werden. Pedro nickte lautlos. Die Frage ist nun bloss, wie wir nach Hause kommen können. Wir haben all unser Geld zusammengekratzt und haben jetzt noch knapp 300 Euro. Dabei müssen wir noch gut 200 Euro für den Campingplatz bezahlen und mit dem Rest müssen wir es irgendwie noch schaffen, genügend Benzin für die Heimreise zu beziehen...

Donnerstag, 29. Juli 2010

Sechsundzwanzigster Eintrag

Den gestrigen Tag verbrachten wir weitgehend unaufgeregt unten am Strand. Abwechselnd lasen oder dösten wir und gingen ab und zu zur Abkühlung eine Weile ins Meer schwimmen. Das Wetter ist schon seit Tagen gut; das heisst es ist heiss und tropisch. Irgendwann, ich war schon wieder weggedöst, klingelte unvermittelt mein Handy. Noch ziemlich benommen griff ich danach und nahm ab, ohne vorher nachzusehen, wer überhaupt dran war. Am andern Ende war meine Mutter:
«Hallo mein lieber Freund. Du klingst ziemlich verschlafen. Was ist denn mit dir los? Ist der Nachhilfeunterricht so anstrengend?»
«Nun ja, eigentlich ja nicht, das heisst, ich weiss es nicht»
«Jérôme, weisst du eigentlich, dass ich mir verdammte Sorgen um dich mache? Wo in aller Welt steckst du bloss?! Zu Hause auf jeden Fall nicht und den Nachhilfeunterricht besuchst du offenbar auch schon seit Tagen nicht mehr»
«Hmm, ja das ist so eine Geschichte. Ich bin gerade in Kroatien zusammen mit Pedro und Mick. Wir machen hier ein wenig Ferien. Entspannen und so.»
« --- »
«Hallo?»
«Ich bin tief enttäuscht von dir. Ich habe für dich extra einen Nachhilfekurs organisiert und dann das.»
«Jaaa, aber der eine Nachhilfelehrer meinte, ich solle es besser sein lassen, wenn mir die Motivation fehlt»
«Ich weiss, das hat er mir auch erzählt. Aber weshalb fehlt dir die Motivation? Versteh' doch bitte endlich, dass du es für dich tust. Es ist dein Leben und nicht meins»
«So kommt es mir aber manchmal nicht vor»
«Wie meinst du das?»
«Du sagst ständig ich würde es für mich tun. Aber eigentlich ist das, was ich angeblich für mich tun würde, bloss das, was du willst. Du presst mich ständig in das Korsett deiner Vorstellungen und lässt mich gar nicht leben. Ich will meinen Weg gehen, verstehst du? Ich will das werden, was ich will und nicht das, was du willst»
«Das ist doch nicht wahr. Ich habe dir stets grosse Freiheiten gegeben. Du konntest tun, was du wolltest und ich habe dich immer unterstützt»
«Ja, materiell vielleicht. Aber zwischenmenschlich? Hast du mir jemals das Gefühl gegeben, dass du das gut findest, was ich tue? Hast du nicht!»
«Das ist unfair, Jérôme!»

Ihre Stimme wurde wieder weinerlich und überschlug sich. Wie ich solche Situationen hasse.

«Es tut mir Leid. Es war nicht so gemeint»
«Jérôme, ich möchte, dass du nach Hause kommst bzw. zu jemandem gehst, den ich gut kenne. Ich bin ja noch mehr als eine Woche in den USA und ich mache mir Sorgen um dich. Ich habe das Gefühl, dass du Probleme hast und kurz davor bist, in irgendein Loch zu fallen. Mach mir einen Gefallen und reis zu Onkel
László nach Balatonberény. Ich habe bereits mit ihm gesprochen und er würde sich sehr über deinen Besuch freuen»
«Hmm...ich weiss nicht, ich mag Onkel László ja, aber ich weiss nicht recht. Was soll ich denn dort machen?»
«Dich entspannen und zu dir finden»
«Als ginge das so leicht»
«Jérôme, bitte. Dann tu' es halt für mich...»
«Hmm...ich werd's mir überlegen»
«Ok. Aber überlegs dir nicht zu lange. Onkel László wartet auf deinen Anruf. Und gib mir auch Bescheid»
«Jaja, ist ok. Tschüss»
«Mach's gut, Jérôme. Ich liebe dich»
«Ja...»

Ich weiss echt nicht recht, was ich machen soll. Soll ich gehen oder nicht? Ich glaube, ich lass' es einfach mal auf mich zukommen und warte ab.

Mittwoch, 28. Juli 2010

Fünfundzwanzigster Eintrag

Venedig haben wir nach nur einem Tag den Rücken gekehrt. Zu viel Dreck, zu viel Gestank und zu viel Schein. Mittlerweile befinden wir uns in einem kleinen Städtchen in Kroatien, das Rovinj heisst. Die Überfahrt war dieses Mal problemlos und es gefällt mir gut hier. Wir wohnen auf einem Campingplatz, der unweit des Städtchens liegt. Von unserem Camper aus haben wir einen fantastischen Blick auf die Kirche von Rovinj, die sich auf einem Hügel befindet. Es fast so, als sei das Städtchen um diese Kirche herum gebaut worden, denn sie bildet quasi dessen Zentrum. Die Menschen scheinen hier recht gläubig zu sein. Viele tragen goldene Halskettchen mit eins dieser Kruzifixe drauf; Jugendliche bilden da keine Ausnahme. Irgendwie schön, wenn sie an etwas glauben können. Meine Generation hat dieses Glück nicht. Vielleicht glauben wir ans grosse Geld und eine steile Karriere, aber an einen tieferen Sinn oder einen irgendwie geratenen heiligen Vater? Ich weiss es nicht.

Einen heiligen Vater? Tzzz, eigentlich brauche ich einen solchen gar nicht. Ich brauche bloss ein Mädchen, das mit mir durchs Leben geht. Das bei mir ist und bleibt, in guten und schlechten Zeiten. Es wurde mir einmal mehr klar, als wir gestern durch die nächtlichen Gassen Rovinjs' schlenderten und überall Pärchen begegneten, die Hand in Hand unseren Weg kreuzten. Und der ungewohnte Geruch mediterranen Essens, der noch überall in den Gassen des Städtchens lag, schien meine Sehnsucht nach der Einen, der Reinen, der Meinen nur noch zu verstärken.

Mick und Pedro machten sich später noch auf die Suche nach einem Club, wo man tanzen kann. Ich hingegen hatte nicht gross Lust darauf; ein seltsam süsser Schmerz in Herz- und Magengegend drängte mich dazu, alleine das Meer aufzusuchen und dort den Mond anzustarren und an Aline zu denken.

Montag, 26. Juli 2010

Vierundzwanzigster Eintrag

Am darauffolgenden Morgen wurden wir bereits früh vom Dröhnen der Signalhorne nahegelegener Schiffe geweckt. Zudem roch es im Inneren des Campers schwer nach Fisch, Motorenöl und Cannabis, was uns schon bald dazu veranlasste, nach draussen zu fliehen, was natürlich wiederum völlig idiotisch war, da es draussen genau gleich, wenn nicht sogar noch stärker nach Hafen roch. Wir verliessen den mittlerweile komplett mit Reisecars zugestellten Parkplatz und suchten eine Fährenanlegestelle, um ins Zentrum Venedigs zu kommen.

Nun, es war kein schwieriges Unterfangen die Anlegestelle zu finden - man brauchte lediglich dem Touristenstrom zu folgen. Die Touristen, das sind vorzüglich Übergewichtige Rentner aus dem deutschen Sprachraum, die die italienischsprachige Minderheit auf der Anlegestelle auf Deutsch anzusprechen pflegen und sich darüber empören, dass ebendiese Italiener so schlecht Deutsch sprechen.

Nach etwas mehr als einer Dreiviertelstunde Anstehens konnten auch wir eins dieser Fährboote besteigen. Es schleppte uns einen breiten Kanal entlang und ich glaube, der Kanal hiess sogar richtig sinngemäss canale grande. Links und rechts von uns glitten baufällige Häuserzeilen vorbei, sowie vereinzelte Kirchentürme, Plätze und viele dieser venezianischen Gondelboote. Wir stürzten uns mehr oder weniger ins Ungewisse, da wir uns zuvor eigentlich überhaupt nicht mit Venedig auseinander gesetzt hatten.

Beim Markusplatz stiegen wir aus; es war der einzige Ort, der uns im Entferntesten von irgendwoher etwas sagte. Von dort aus pilgerten wir kreuz und quer durch verwinkelte Gässchen, über schmale Brücken und überquerten kleinere oder grössere von Touristen gesäumte Plätze.

Ich kam für mich selbst schnell zum Schluss, dass ich dieses Venedig nicht mag. Klar, ich wäre hier gerne mit Aline oder einer Freundin, die ich dann vielleicht irgendwann einmal haben werde. Aber eben, dieses Venedig, ich habe es mir anders vorgestellt. Ok, alles, was ich bisher darüber wusste, wusste ich aus alten Schwarzweissfilmen, de ich mir während schlaflosen Nächten auf Arte angesehen habe. Aber es ist so anders. So heruntergekommen, dreckig, künstlich und austauschbar.

Nach mehreren Stunden ziellosen Umherirrens, liessen wir uns am späten Nachmittag erschöpft in einem McDonald's nieder. Es war der einzige Ort weit und breit, der nicht so verflucht teuer war. Wir stopften mehr oder weniger wortlos unsere Mc-Irgendwas-Menüs in uns hinein. Es war in Ordnung. Die relative Ruhe, die an unserem Tisch, nicht aber in der restlichen McDonald's-Filiale herrschte, wurde plötzlich durch eine Mick-typische Aktion unterbrochen; er schüttete sich seine Cola über seine weissen Shorts. Er ärgerte sich. Wobei das dann nicht ein wirkliches Ärgern war, sondern eher so etwas zwischen Ärgern und einer Belustigung über sich selbst. Mick ist lustig, ohne dass er viel dazu tun müsste.

Nachdem er seine Shorts vergeblich zu reinigen versucht hatte, sank er ein wenig in sich zusammen und brummte 'ich mag diesen Ort hier nicht'. Pedro und ich pflichteten ihm bei. 'Aber sonst sind die Ferien bisher ganz geil. Wir haben bisher schon eine Menge erlebt' wendete Pedro ein. Mick gab ihm Recht. Wieder kehrte Stille ein und jeder starrte ein wenig vor sich hin und beobachtete die andern Touristen. 'Eigentlich sollten wir diese Ferien wirklich geniessen. Ich meine, wir sind noch gut ein Jahr zusammen in derselben Klasse und danach werden sich unsere Wege wohl trennen. Keine Ahnung, was dann kommen wird' sagte ich nach einer Weile. Dieser Gedanke geisterte mir schon lange im Kopf umher.

Pedro und Mick schien dieser Gedanke jedoch nicht gross zu beschäftigen. Einzig Mick stimmte leise zu und meinte 'ja, stimmt schon'. Damit hatte sich's aber. Ich fand das ein wenig Schade und hakte nach 'Nein, ich meine es ernst. Denkt doch mal drüber nach'. Wieder Stille. Pedro nahm einen tiefen Schluck aus seinem Colabecher und meinte dann 'Ach Jérôme, du zerbrichst dir in letzter Zeit über alle möglichen Dinge so den Kopf. Lass es doch einfach mal auf dich zukommen. Du kannst ja doch nicht sagen, was dann eventuell irgendwann einmal sein wird. Nimms locker'.

Pedros' Aussage begleitete mich noch lange an diesem Abend. Hm. Das sagt der so leicht. Wie soll das gehen? Man kann doch einen Gedanken nicht einfach unterdrücken?

Sonntag, 25. Juli 2010

Dreiundzwanzigster Eintrag

Zu viel Schlaf kamen wir nach dieser Nacht nicht mehr, denn wir planten am selben Tag noch Venedig zu erreichen. Statt in Venedig anzukommen, landeten wir jedoch um ein Haar im Knast. Das kam so. Als wir den Zoll bei Chiasso passieren wollten, nahmen uns die italienischen Behörden bei Seite. Wundern tat uns das nicht sonderlich, da unsere Karre ja mehr Ähnlichkeit mit einer Müllhalde als mit einem Camper hat.

Dann, auf einem Parkplatz überprüfte ein mürrischer Zolltyp unsere Papiere und forderte uns auf, hinten aufzumachen. Das taten wir auch, aber, nun ja, was jetzt kommen würde, war auch nicht verwunderlich. Der ganze Wagen roch ja noch wie eine Hanfzüchtungsanlage par Excellence, da die Typen, denen der Wagen zuvor gehörte, irgendwelche hirnverbrannte Kiffer waren, die ständig darin ihre Joints rauchten. Der Zöllner herrschte uns auf italienisch, jedoch verstanden wir ausser dem Wort «Droga», das er ständig wiederholte, kein Wort.

Wenig später gesellten sich drei weitere Carabinieri mit einem Drogenhund zu uns. Wir wurden indes in eine triste Baracke neben den Zoll abgeführt. Dort fragte uns ein anderer Zöllner in gebrochenem Deutsch, wo die Drogen seien. Er nuschelte dies hinter seinem nietzscheartigen Wallrossbart hervor und wäre die Situation nicht so verschissen gewesen, hätte der Typ wohl fast schon etwas Komisches an sich gehabt. In jenem Moment war uns jedoch überhaupt nicht zum Lachen, da wir nicht wussten, ob die Hippies irgendwo sonst noch Gras versteckt hatten. Ein Büschel hatten wir ja gefunden und zum Glück verraucht, aber eben, wir hatten keine Ahnung, ob sich da sonst irgendwo noch etwas finden würde.

Wir versuchten indes dem Wallrossbart zu erklären, dass der Marihuanageruch nicht wegen uns, sondern wegen der Vorbesitzer sei. Dieses dämliche Wallrossbartarschloch zeigte sich jedoch unbeeindruckt und liess uns durchsuchen. Gänzlich. Wir mussten uns ausziehen und mehr Details möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Aber nur soviel: Wir wurden wohl noch nie derartig gedemütigt, wie von diesen verdammten Zöllnerhurensöhnen. Dann, nach dieser grossartigen Demütigung, durften wir noch eine halbe Stunde in einem engen, nur mit einigen Plastikstühlen besetzten Korridor warten und wurden schliesslich ohne weitere Worte aufgefordert, zu gehen und weiter zu fahren.

Nach einigen Stunden Autofahrt kamen wir dann schliesslich gegen 21 Uhr in Venedig an. Wir parkierten auf irgend einem Car- und Camperparkplatz, der unweit von der grossen Fährenanlegestelle entfernt war. Der Geruch von Fisch, Benzin und menschlichen Exkrementen lag in der Luft. Kein Ort, wo man lange verweilen möchte. Aber für uns immer noch gut genug, denn unsere Ansprüche bezüglich Luxus sind nach dem heutigen Tag ganz klar gesunken.

Zweiundzwanzigster Eintrag

Als ich Samstagnachts alleine und frustriert auf den Campingplatz zurückkehrte, nahm ich mir vor, es als einen schlechten Abend abzuhaken und bei Seite zu legen. Pedro machte es mir allerdings überhaupt nicht leicht diesen Vorsatz in die Tat umzusetzen, denn am morgen danach hatte er nichts Besseres zu tun, als ständig von ihr zu sprechen und Fotos von ihm und ihr herumzureichen. Ich mag Pedro ja. In der Schule haben wir es stets lustig, aber sobald es um Frauen geht, nervt er. Er ist ja total auf sie fixiert. Seine Frisur ist ihm ein Heiligtum, ständig schwitzt er im Fitnesskeller, um Muskeln aufzubauen und dann diese beiden Goldkettchen die er am Hals und am Arm trägt...Pedro heisst eigentlich Mischa und seine Eltern sind beide Schweizer, aber wir haben ihm irgendwann einmal den Spitznamen Pedro verpasst, weil er sich stets wie einer dieser eitlen Latinos aufführt.

Pedro nervte jedenfalls von dem Moment an, an dem er seine Klappe aufmachte

'Ey Jérôme, was war denn gestern mit dir los? Du warst ja total schlecht gelaunt - und das schon am ersten Abend?! War doch voll geil!'
'Naja'
'Was jetzt? Schau mal hier? Wir haben noch einige Fotos gemacht. Damn, schau dir mal dieses Girl an, sie ist total heiss!'

Pedro zeigte auf seinem neuen Iphone einige Fotos. Immer wieder Pedro und Lynn; mal knutschend, mal lachend, mal sich umarmend. Zwischendurch einige Fotos von Mick, der einen ziemlich schlechten und betrunkenen Eindruck machte. Mick lag auch jetzt noch irgendwo im Halbkoma herum. Er hat so diese Angewohnheit, sich total wegzuklatschen, wenn er mal mit Saufen angefangen hat.

'Jaja, ist sehr toll' raunte ich zu Pedro, nur damit er endlich mit den scheiss Fotos verschwand.
'Hey was ist denn mit dir los? Sag mal, bist du eifersüchtig oder was?'
'Sicher nicht. Es geht mir einfach auf die Nerven, dass du ständig mit deinen Frauengeschichten angeben musst. Hast du den nichts Anderes in deinem Leben? Es kommt mir so vor. Du definierst dich so sehr durch das?'
'Hä? Spinnst du jetzt völlig? Was spricht schon dagegen? Warum sollte ich es nicht tun, wenn es mir Freude bereitet? Und ist doch ausserdem etwas Schönes. Ihr hat es ja auch gefallen. Hättest dich ja mit ihrer Schwester vergnügen können'
'Mhm. Die war dämlich'
'Bullshit. Das ist doch riesen Bullshit, Jérôme. Beim Rumknutschen ist es doch völlig egal, wie die ist. Soll ich dir etwas verraten? Du hast dich einfach nicht getraut und jetzt bist du wütend!'

Ich begann wütend zu werden. Woher nimmt dieser Idiot eigentlich die Frechheit, mir so einen Mist zu unterstellen? Eigentlich hatte ich aber in diesem Moment weder Lust noch Kraft, um noch gross mit Pedro über diesen Blödsinn zu streiten. Zum Glück sah er es an einem gewissen Punkt auch ein und entschuldigte sich sogar.

'Ok Jérôme. Keine Frauengeschichten mehr in diesen Ferien. Ich nehm mich zurück. Sorry, alter.'
'Schon gut'

Im selben Moment hörten wir hinter uns Würggeräusche und saftiges Plätschern. Es kam von Mick, der soeben aufgestanden war und gestern wirklich genug getrunken hatte.

Den Rest des Tages verbrachten wir am kleinen Sandstrand, über den der Campingplatz verfügt. Wir genossen die Sonne, dösten vor uns hin und warteten auf den Abend. Der Abend, der dann kam, war anders als die vielen Abende, die wir sonst schon erlebt hatten. Es zog uns in die Stadt, natürlich, wie üblich. Anders als sonst tranken wir aber keinen Schluck Alkohol. Pedro trinkt sowieso nie sonderlich viel, ich hatte irgendwie keine Lust und Mick, nun ja, Mick wurde schon nur beim Wort Alkohol wieder schlecht.

Wir zogen durch Locarnos' Gassen und Strassen, auf der Suche nach einem guten Club oder ja, halt einfach einem, der besser zu sein versprach, als der Gestrige. Wir gingen eine ziemliche Weile umher, sahen aber nirgends etwas, das uns wirklich gefiel. Dann aber, es war irgendwo in der Nähe des Bahnhofs, hörten wir dumpfe Bässe, die aus der Richtung eines alten Fabrikgebäudes kamen. Die Musik zog uns an, wie Licht die Mücken anzieht. Sie war irgendwie eigenartig, nicht das 0815-Zeugs, das wir von unseren Partys kannten.

Beim Fabrikgebäude fanden wir heraus, dass die Musik aus dem Untergrund desselbigen stammt. Auf der Gegenüberliegenden Seite stiessen wir auf eine Treppe, die in den Untergrund führte. Unten wurden wir jedoch von zwei Türstehern aufgehalten, die etwas auf Italienisch faselten. Wir verstanden natürlich nur Bahnhof. Einer der Beiden erklärte daraufhin dann in gebrochenem Englisch "This no place for you guys". Pedro meinte daraufhin "Oh come on, we're good guys" und zog ein pedrotypisches Blendamed-Lächeln auf. Das kam irgendwie an. Jedenfalls begannen die Beiden miteinander zu verhandeln und plötzlich meinte der Eine, der uns zuvor noch abweisen wollte: "It's ok. Have fun!" und öffnete uns die Türe.

Wir traten in einen schlauchartigen und düsteren Gang, der von grün- und blaugefärbten UV-Röhren beleuchtet war. Die Wände waren versprayt und der Verputz bröckelte. Es waren nicht sonderlich viele Leute in diesem Raum. Vereinzelt standen sie in kleinen Grüppchen herum und sprachen über Dinge, die wir nicht verstanden. Mussten wir auch nicht, denn man merkte auch so, dass sie gut gelaunt und amüsiert waren.

Die Musik indes kam aus dem Raum am Ende des Schlauchganges. Durch eine fensterlose Tür trat man herein in einen nicht sonderlich grossen, aber auch nicht kleinen Raum. 15 auf 15 Meter vielleicht. Drinnen empfing uns eine angenehm schwüle Hitze. Der Raum war niedrig und dunkel. Schummrige und ungleichmässig über den Raum verteilte Lichtquellen, sowie ein Stroboskop das seine charakteristischen Lichtfetzen in den Raum schickte, erhellten selbigen. Wir konnten erkennen, dass die andern Partygäste deutlich älter als wir selbst waren. Die waren sicherlich 30 oder älter. Und auch die Musik lag irgendwie vor unserer Zeit. Aber sie war gut und zog uns in ihren Bann. Wir begannen mitzutanzen. Zuerst zögerlich, dann immer heftiger und losgelöster. Und auch die Andern um uns herum schienen völlig losgelöst zu sein und tanzten extatisch mit. Sie pfiffen zum Tackt der Musik und stiessen bei jedem neuen Lied Freudesschreie aus. Auf einem Podest, leicht erhöht über dem Rest der Leute, stand ein Typ mit einer Buschtrommel und trommelte wie ein Besessener darauf herum. Lied für Lied und immerzu mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht. Derweil schien es immer heisser im Raum zu werden, denn von der Decke begann Kondenswasser zu tropfen. Stören tat uns das jedoch nur wenig. Auch wir erlagen dem Bann der Musik und des Augenblicks. Wir tanzten. Die ganze Nacht hindurch und dies ohne einen Tropfen Alkohol. Gegen 5 Uhr verliessen wir den Ort. Zürich in aller Ehre, aber so eine geile Party haben wir dort noch nie erlebt!

Hier noch einer der Tracks, die dort so liefen. Dank Shazaam gefunden ;)

Samstag, 24. Juli 2010

Einundzwanzigster Eintrag

Der erste Tag unseres Trips ist bereits rum. Gestern morgen verliessen wir mit unserer Kiste Zürich und fuhren runter in Richtung Süden. Zuvor haben Pedro und ich während den letzten paar Tagen noch einige Reparaturen durchgeführt. Die Baterie war, nun ja, so ziemlich im Arsch, der eine Scheinwerfer war defekt, die Motorhaube klapperte ständig und der ganze Camper hatte eine Reinigung mehr als nötig. Und dann ging's los. Runter ins Tessin, nach Lucarno, um genau zu sein. Die Suche nach einem Campingplatz gestaltete sich einiges schwieriger, als wir anfangs dachten, mit dem Resultat, dass wir allem Anschein nach die erste Nacht auf dem Parkplatz vor einer Camping-Anlage verbringen mussten und erst heute morgen reinfahren konnten.

Was macht man also aus einem bevorstehenden Abend, den wir auf einem Parkplatz zu verbringen verdammt schienen? Trinken, Schischa rauchen und kiffen. Eigentlich sind wir ja nicht sonderlich grosse Kiffer, aber die Kiffertypen, die uns den Camper verkauft haben, hatten in einer Schublade noch ein wenig Gras hinterlassen. Jedenfalls genug, um sich ein paar Joints damit zu drehen.

Der Abend begann jedenfalls ungefähr so. Wir machten es uns auf unseren Campingstühlen bequem und tranken auf uns, die Freiheit und auf alles, auf das sich sonst noch so trinken lässt. Hauptsache trinken halt. Wir waren nicht die Einzigen, die auf diesem Parkplatz gestrandet waren. Er war voller anderer Campingwagen und Wohnmobilen. Pedro tauchte dann irgendwann mit der Idee auf, dass wir doch ein wenig umherziehen und den Parkplatz nach Mädchen absuchen könnten. Mick war nicht sonderlich überzeugt davon und wollte es seinlassen und weitertrinken. Mir war es egal irgendwie. Aber Pedro wollte unbedingt und so gingen wir halt mit.

Die Idee war gar nicht so schlecht, wie sich bald zeigen sollte. Denn nur unweit unseres Campers erblickten wir zwei Mädchen, die uns allen auf Anhieb gefielen. Sie waren beide blond, schlank, gross gewachsen und offenbar Geschwister. Pedro, ganz in seinem Element, ging ohne irgendwelche Rückfragen auf sie zu und sprach sie an. Mick und ich folgten ihm im Schlepptau. Er lud sie ein, mit uns Champagner zu trinken und kam rasch mit beiden ins Gespräch. Aus Holland seien sie und mit den Eltern hier in den Ferien, erzählten sie. Sie erzählten noch so einiges, aber ich hatte irgendwie den Anschluss verpasst. Klar, Mick erzählte auch nicht sonderlich viel, er ist ja eher auch der ruhigere Typ. Nur ich, ich sprach fast gar nicht. Ich wollte zwar, aber konnte nicht. Die Jüngere der Schwestern, sie war 17-Jährig, gefiel mir. Und genau das war das Problem. Ich hatte schiss mit ihr zu sprechen, weil sie mir so gefiel und  naja, sie schien auch nicht sonderlich interessiert an mir zu sein, sondern viel mehr an Pedro. Die Art, wie sie ihn anschaute, verriet einiges. Ihre Blicke verrieten mehr, als ich wissen wollte und meine Laune war schon ziemlich bald irgendwo im Keller verschwunden.

Dann, es war wohl so gegen 23 Uhr, hatte Pedro die Idee, noch in die Stadt zu gehen, um dort irgendeinen Club aufzusuchen. Obwohl ich lieber hier geblieben wäre, ging ich mit. Nach einer Weile Fussmarsch landeten wir in einem merkwürdigen Schuppen, der sich nirgends wirklich einordnen liess. Die Wände waren verspiegelt und auf dem marmornen Boden standen überall Plastikpalmen herum. Kurzum; so einen geschmackslosen Club hatte ich bislang zuvor noch nie gesehen und auch die Musik war unterste Schublade. Ich glaube, es war Trance, das sie dort spielten. Aber wer bitte spielt heutzutage noch Trance?! Aber letztlich ist das auch egal. Jedenfalls schiss mich das alles an. Mich schiss der Club an, mich schiss die Musik an und mich schiss die Tatsache an, dass Pedro mit Lynn, so hiess sie, eng tanzte.

Ich spürte den Alkohol und bekam unheimliche Lust, ein Mädchen zu küssen. Da Lynn nicht an mir interessiert zu sein schien, versuchte ich mein Glück bei ihrer älteren Schwester. Ich wechselte einige Belanglosigkeiten mit ihr und wollte mit ihr tanzen, doch sie machte keine Anstalten, darauf einzugehen. "Was ist eigentlich los, dass sie dich alle abweisen?" fragte ich mich frustriert und verschwand auf die Toilette. Dort schüttete ich mir Wasser ins Gesicht und betrachtete mich eine Weile lang im Spiegel. Es kam mir nicht viel mehr in den Sinn, als mein Spiegelbild zu beschimpfen: "Loser! Du verdammter Loser! Nie kriegst du etwas auf die Reihe!". Während ich noch immer verbal auf mich eindrosch, öffnete sich plötzlich die Türe neben mir und ein Typ trat ein. Er glotze mich zuerst verdutzt an und begann dann leise zu lachen und ging kopfschüttelnd ab. Er hatte wohl Recht.

Als ich wieder nach draussen in den Club zurück trat, war die Scheisse komplett; Pedro küsste in der Zwischenzeit wild mit Lynn herum. Es war ein Tiefschlag sondergleichen. Ich hielt es nicht mehr aus und ging nach Hause. Der Frust war einfach zu gross.

Donnerstag, 22. Juli 2010

Ein grosses Dankeschön!

Wow! Soeben lesen schon 15 Leute in diesem Blog mit; hätte nie gedacht, dass sich so viele für mein Geschwafel interessieren würden. Deshalb freut es mich natürlich umso mehr, dass doch einige mitlesen. Ein herzliches Dankeschön drum an euch alle - ihr seid super :D

Zu dem haben ab und zu einige von euch gefragt, ob es Fotos von mir gibt. Klar gibt es die, aber ich will sie nicht übermässig posten ;) Ich begann dieses Blog zu schreiben, um alles aus mir herauszulassen, um mir über Dinge im Klaren zu werden, um sie zu verstehen. Deshalb dachte ich eigentlich gar nie gross an Bilder von mir. Aber bitteschön, unten habt ihr eins ;) Und zum Schluss hab' ich mir auch noch so einen Formspring-Account zugelegt. Keine Ahnung, vielleicht fragt je der/die eine oder andere von euch etwas :)


Zwanzigster Eintrag

Es ist der Abend vor unserer Reise. Morgen werden Pedro, Mick und ich mit unserem Camper irgendwohin in Richtung Süden verreisen. Wohin es uns genau verschlägt wissen wir noch nicht so genau; wir folgen wohl einfach der Strasse. Der Duft der Freiheit ist süss und verlockend, aber irgendwie lässt er mich kalt. Denn ich weiss momentan nicht so recht, wie es mir geht oder wie es mir gehen soll.

Einerseits bin ich aufgeregt und freue mich aus unseren Trip. Andererseits sind meine Gedanken noch immer und viel zu häufig bei Aline. Ich höre ihre Stimme, rieche ihren Duft und sehe sie vor meinem inneren Auge und doch ist sie nicht da. Sie hinterliess mir neulich im Facebook eine Nachricht. Entschuldigte sich für letzten Samstag und sagte, sie wolle mich nicht verlieren. Warum schreibt sie sowas? Was meint sie damit? Wie nicht verlieren? Meint sie damit etwa, dass sie sich doch etwa vorstellen könnte, mit mir zusammen zu kommen? Bisher habe ich ihr noch nicht zurückgeschrieben; ich weiss einfach nicht, was ich schreiben sollte und habe Angst davor, etwas falsch zu machen.

Zu etwas Anderem: Aus der Nachhilfeschule bin ich rausgeschmissen worden. Also mehr oder weniger. Ich ging heute dort nochmals in die Schule. Eigentlich weiss ich gar nicht so recht, weshalb ich das tat. Ich ging einfach, allerdings war ich auch heute kaum mit meinen Gedanken vor Ort. Nach den vier Lektionen nahm mich der Lehrer bei Seite, um mit mir «ein kurzes Gespräch» zu führen. Naja und der meinte dann halt, dass er nicht wisse, ob dies hier für mich der rechte Ort sei. Ich hätte schon zweimal gefehlt und mache nicht den Eindruck, als wolle ich hier überhaupt etwas lernen. Er halte es nicht für klug, dass ich bloss deshalb käme, weil mich meine Eltern schicken würden. Dann betete er das übliche «du lernst für dich und nicht für deine Eltern» herunter; als hätte ich das nicht bereits hundert mal gehört. Nur geht es hier gar nicht darum. Ich will das einfach nicht, weil ich keinen Sinn dahinter sehe, Mathematik zu pauken, wenn ich das später sowieso nicht mehr benötigen werde.

Ich verblieb mit dem Lehrertypen jedenfalls so, dass ich nicht mehr kommen werde. Das tut eigentlich nichts weiter zur Sache, da ich so oder so nicht mehr gekommen wäre, aber es gibt meiner Mutter gegenüber wenigstens einen Rechtfertigungsgrund, weshalb ich nun einfach in die Ferien abgehauen bin. Ich werd' ihr jedenfalls nichts von unserem Trip erzählen. Sie ist ja noch für einige Wochen in den USA und würde sowieso nichts davon mitbekommen. Weshalb also sollte ich es ihr erzählen? Es würde bloss auf müssige Diskussionen hinauslaufen und auf die habe ich absolut null Bock!

Dienstag, 20. Juli 2010

Neunzehnter Eintrag

Kennst du dieses Gefühl, wenn dir plötzlich klar wird...ja wenn dir plötzlich klar wird, dass du in einer Seifenblase gelebt hast und du die Welt um dich herum durch diese Seifenblase betrachtet hast? Klar, erschien dir die Welt derart farbenfroh und surreal. Und nun...und nun bemerkst du plötzlich, dass du dich im freien Fall befindest, denn irgendetwas um dich herum hat die Seifenblase zum Platzen gebracht. Du fällst und fällst und fällst. Wohin? Das ist letztendlich auch egal.

Eigentlich war es von Anfang an klar, dass es so kommen musste. Ich hätte es besser wissen müssen. Wie konnte ich bloss das Gefühl haben, dass sie den Typen meinetwegen verlassen würde? Ich muss wohl dauerbetrunken gewesen sein. Manche würden es wohl auch liebestrunken nenne. Ach fuck it! Vergessen wir das alles!

Was tut sich derzeit sonst noch so in meinem Leben? Nun, ich besuche den Nachhilfeunterricht, welcher meine Mutter für mich organisiert hat. Nun, ich besuchte, wäre korrekter. Denn ich werde nicht mehr dorthin gehen, weil es einfach nichts bringt. Gestern war ich dort; körperlich, aber geistig wohl keine Minute. Ich habe meinen Kopf momentan einfach anderswo. Und ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung mehr von dem, was man mir während vierer Stunden einzutrichtern versucht hat. Ich geh' dort jedenfalls nicht mehr hin und meine Mum wird so oder so nichts davon bemerken, denn sie ist ja noch während mehr als zwei Wochen wegen so einem Forschungsprojekt in den USA.

Heute war ich auf jeden Fall schon nicht mehr in der Nachhilfe. Ich habe stattdessen zusammen mit Pedro den Camper abgeholt, welchen wir vor Kurzem ersteigert haben. Er ist zwar, nun ja, schon etwas heruntergekommen und es riecht im Innern irgendwie stark nach Marihuana. Wobei mich das mit dem Marihuanageruch nur wenig verwundert, denn die Typen, die uns den Camper verkauft haben, waren irgendwelche bekifften Hinterwäldler-Hippies. Und ja, es passt auch wirklich sehr gut zur Story, dass wir den Camper in einem Ort abholen mussten, der Wald heisst.

Die Überfahrt nach Zürich war dann jedenfalls ein Spiessrutenlauf, denn die Batterie war leer und wir konnten den Motor nur mit Hilfe eines Überbrückungskabels starten. Das heisst, der Motor durfte uns während der ganzen Überfahrt kein einziges mal absterben, da wir ansonsten nicht mehr hätten starten können. Das alles ist gar nicht mal so einfach mit so einem alten Ding, aber glücklicherweise hat Pedro es irgendwie geschafft, die Kiste heil nach Hause zu bringen. Wenn alles nach Plan läuft werden wir dann jedenfalls Freitags unseren Trip beginnen. Bis dahin werden wir die Mühle noch etwas auf Vordermann bringen müssen.

Sonntag, 18. Juli 2010

Achtzehnter Eintrag

Im Nachhinein weiss man es häufig besser. Mir kommt es nun im Rückblick auch so vor, als sei es äusserst dumm von mir gewesen, Aline am Jahresabschlussball zu besuchen. Aber eigentlich war es vorausschaubar gewesen. Ich zog zwar meinen neuen Anzug an, stylte mich auf und nahm allen Mut zusammen, nur änderte das doch nichts an der Tatsache, dass sie mit ihrem Freund dort war.


Irgendwie hatte ich schon von beginn weg ein merkwürdiges Bauchgefühl, als ich gegen neun die Turnhalle der HoPro betrat, wo der Ball statt fand. Fast überall wo ich hinsah erblickte ich Pärchen und nur vereinzelt irgendwelche Freaks und Nerds, die unter ihresgleichen herumalberten. Ich fühlte mich verloren und gleichzeitig von allen Seiten her beobachtet. Dass ich mich gegen eine Wand drückte und ihr gesenkten Blickes entlang schlich, änderte wenig an dieser Tatsache. Nachdem ich mich langsam an den Betrieb hier anklimatisiert hatte, stellte sich mir die eigentlich entscheidende Frage: Wie sollte ich sie hier bloss finden? Und was will ich überhaupt hier? Mir wurde bald klar, dass ich mir diese letzte Frage besser nicht stellen sollte, da sie dumm war und mich nicht weiterbringen würde. Deshalb entschied ich mich, der Ersten nachzugehen.


Da jeder hier wohl irgendwann einmal etwas trinken wird, beschloss ich zur Bar zu gehen und dort einfach so lange zu warten, bis sie einmal vorbeikommen würde. 'Ja, sie muss irgendwann einmal vorbeikommen' hörte ich mich selbst leise flüstern. Ich ging zur Bar und bestellte Rimuss. Richtig: Kein Alkohol für heute, denn Alkohol macht dumm. 


Und dann stand ich so da, an der Bar und blickte in die vorbeihuschende und tanzende Menge. Verliebte Pärchen,  schüchterne Annäherungsversuche oder kokettierende Mädchengruppen, war alles, was ich erblickte. Aline hingegen nicht. Um die Zeit herumzuschlagen, begann ich mich deshalb innerlich auf den Moment vorzubereiten, wenn ich auf sie treffen sollte. Als plötzlich aus der Ferne her eine mir bekannte Stimme meinen Namen durch die Menge schrie. Es war Marc. Schon wieder derselbe peinliche Auftritt, wie vor ein paar Tagen erst. Er kam auf mich zu und zog hinter sich irgend so ein blondes Ding mit sich her. Sie passte nicht hier her; zu viel Liedschatten, zu enges und vor allem auch zu kurzes Kleid - kurzum einfach nur plump, aber halt doch zu Marc passend. "Ey alter, was machst denn du hier?" schrie er und ohne meine Antwort abzuwarten laberte er weiter "Ganz alleine hier, was?! Hast halt nicht so eine schöne Begleitung wie ich am Start! Haha!" er schlich an mir vorbei und zog seine Tussi mit sich, so als ob er sie mir auf dem Präsentierteller vorführen wollte. Ich vernahm noch ein "machs gut, Loser!" aus seiner Richtung her, aber ich hörte nicht mehr wirklich hin, da ich ihn ziemlich bald schon zu ignorieren begonnen hatte.


Dann vergingen die Minuten und ich wartete noch immer. Aber ich blieb standhaft. Und dann irgendwann kam sie bzw. ihr Freund, der sie im Schlepptau führte. Er war ein hochgewachsener Grosskotz, wohl so an die 1.90 Meter gross, breites Kinn, sportliche Figur, die er im obligaten Ralph Lauren Polo-Shirt verpackte. Ich hasste ihn von dem Moment an, in dem ich ihn erblickte. Doch sie, sie erblickte mich nicht. Ich stand zwar nur ungefähr zwei Meter von ihr entfernt, aber sie hatte nur Augen für ihn und seinen ach so wohl geformten Rücken. Nachdem sie ihre Drinks gekauft hatten, wollten sie schon wieder gehen. Doch dann, als sie sich umdrehte, erblickte sie mich doch noch. In ihrem Gesicht blitzte Freude auf, die sich aber schon bald mit Unsicherheit zu vermischen schien. Sie kam auf mich zu und lächelte wieder etwas mehr "Hey! Was machst denn du hier?" Ich stockte einen Moment lang und vergass alles, was ich zuvor eigentlich zu sagen geplant hatte. Stattdessen stammelte ich irgendetwas von wegen "Bin mit einer Kollegin hier, ich begleite sie". "Echt?" fragte Aline "das ist lieb von dir! Wo ist sie denn?" ich merkte, wie ich mich irgendwie tiefer in die Scheisse hineinritt und brabbelte etwas von Toilette. 


Dann irgendwann drängte sich der Grosskotz an Alines Seite vor, woraufhin sie uns miteinander bekannt machte. Sie stellte ihn mir als Sascha vor. Als jener erfuhr, wer ich bin, begann er wohl zu kapieren, was hier los war. "Ist das nicht der, mit dem du gestern fort warst?" wendete er sich mit leicht aggressivem Unterton an Aline. "Hmm, ja genau. Jérôme ist ein total lieber und hilfsbereiter Typ, nicht wahr?" sagte sie vor sich hin und wusste wohl in dem Moment selbst nicht mehr, wie ihr geschieht. Sie errötete und schaute zu Boden. Die Hackfresse trat daraufhin zwischen Aline und mich und starrte mir aggressiv in die Augen. Ich erwiderte den Blick und dachte nicht daran, Klein bei zu geben. Daraufhin zischte er "Ich geb dir einen guten Rat: Lass deine Finger von ihr und zisch schleunigst ab". Merkwürdigerweise imponierte er mir überhaupt nicht. Er schien mir in seinem betont männlichen Verhalten bloss verkrampft und lächerlich. Ich erwiderte ihm "Und ich geb dir den Rat besser weniger mit deinen Freunden saufen zu gehen und stattdessen deine Freundin so zu liebe, wie sie es verdient hätte". Der verbale Schlag sass offenbar, denn das gewaltige Kinn meines Gegenübers sauste herunter und begann zu zittern. Plötzlich packte er mich mit beiden Händen am Kragen und drückte mich gegen die Bartheke. Ich wehrte mich nicht, es war mir zu dumm. Und auch schon kurz darauf schritt Aline schreiend dazwischen und drückte den Vollpfosten bei Seite. Sie schimpfte auf ihn ein und ich ging. Langsam, aber bestimmt. 


Ich wusste nicht recht, ob ich wütend oder einfach nur enttäuscht war. Ich glaube, am ehesten kotzte mich das einfach alles an. Die Zielscheibe irgendwelcher Aggressionen zu sein und immer dieses Pech mit den Mädchen. Das ist dann wohl der Arschlochfaktor. Arschlöcher kommen gut an, aber Typen wie ich, die es ehrlich meinen, bleiben aussen vor. Ich bin gerade einfach nur frustriert und geh' wohl nochmals schlafen. 

Samstag, 17. Juli 2010

Siebzehnter Eintrag

Ich habe schlecht geschlafen. Ich musste die ganze Zeit an sie und die Tatsache, dass sie einen anderen liebt, denken. Und doch ist da, ja war da stets ein Funken Hoffnung, der mir alles weitaus weniger schlimm erscheinen liess. Denn liebt sie ihn wirklich? Oder liebt er sie genug fest, ja so fest, wie sie es verdient hätte, geliebt zu werden? Ich habe meine Zweifel. Ich höre immer wieder von verschiedenen Menschen in meinem Leben, dass ich etwas wagen und nicht feig sein sollte. Ja, ich sollte wohl etwas wagen, ich sollte nämlich heute Abend auf diesem Abschlussball aufkreuzen, um sie zu sehen. Ihr Freund wird zwar auch da sein, aber ich will ihr zeigen, was ich für sie empfinde. Ich will ihr klar machen, dass ich die bessere Wahl bin. Aber wie mache ich das? Wüsste ich es, so würde ich es tun, da ich es aber nicht weiss, bleibt mir einzig und allein dort hin zu gehen und da zu sein. Auf mein Herz zu hören...

Sechzehnter Eintrag

Die wichtigsten Dinge scheinen einem dann zu widerfahren, wenn man nicht mit ihnen rechnet. Wenn mir einer heute Nachmittag gesagt hätte, dass ich den Abend mit Aline verbringen würde, dann hätte ich denjenigen wohl ausgelacht, aber genauso kam es.

Heute Abend war mir langweilig; ich ging deshalb einfach mal ins MSN. Schauen, wer so drin ist. Ok, eigentlich wollte ich ausschliesslich wissen, ob Aline drin ist. Sie war es nicht, was mich frustrierte. Dann, gegen halb neun, kurz bevor ich vom Computer weggehen und mir einen DVD ansehen wollte, kam sie plötzlich doch noch online und es schien so, als sei das erste, was sie tat, mich anzuschreiben.

Mein Herz stockte, war wie gelähmt und schien zur selben Zeit wilde Freudensprünge zu machen.

- Hey du ^^
- Heyyy :D
- Wie gehts? Nicht unterwegs?
- Nein, mir ist ein wenig langweilig. Weiss nicht so recht was tun. Heute war zwar der letzte Schultag und eigentlich sollte ich feiern wie alle andern, aber mir ist heute nicht danach. Fühle mich bloss irgendwie müde und ausgelaugt. Und du?!  Wie gehts denn dir und weshalb bist du denn nicht unterwegs? Hattest ja heute auch deinen letzten Schultag oder?
- Hmm ja, ich wollte eigentlich ursprünglich auch weggehen und feiern, aber ja...
- Och nein, lass mich raten: Hat er dich wieder versetzt?
- Mhm. Er wolle mit seinen Freunden ins Kaufleuten gehen. Männerabend. Und wir würden uns morgen ja eh sehn. Klar sehen wir uns morgen, aber wir haben das schon seit einer Woche abgemacht und dann schreibt er mir heute Nachmittag so ein lapidares SMS von wegen ob das schon ok für mich sei und so weiter, wenn wir uns heute nicht sehen würden. Sorry, ich belästige dich damit. Tut mir Leid...
- Nein nein, ist überhaupt kein Problem. Ich höre dir gerne zu...
- Danke. Aber es ist irgendwie so merkwürdig...ich kenne dich ja eigentlich gar nicht und erzähle dir das alles. 
- Das stimmt, ist schon speziell, aber es freut mich auch. Du scheinst mir auf irgendeine sonderbare Art und Weise zu vertrauen?
- Hmm...ja, ich vertraue dir. Ich vertraue dir weil, weil ich mich irgendwie mit dir verbunden fühle. Merkwürdig oder? 
- :) Es freut mich, dass du so fühlst, ich fühle ähnlich
- :)
- Wollen wir uns besser kennenlernen?
- Wie meinst du das?
- Wir könnten uns treffen...
- Hmm.. ja :)
- Cool! Wie wäre es mit heute Abend? Wir beide haben ja noch nichts vor ;)
- Haha du bist lustig. Doch heute Abend wäre gut :) Wo wollen wir uns treffen? 
- Irgendwo in der Mitte zwischen uns beiden. Wo genau wohnst du? Du wohnst schon in Zürich, oder?
- Ja klar, ich wohne in Wiedikon, in der Nähe der Kirche Bühl. Und du?
- Ah ja, das kenn' ich. Es ist schön dort oben :) Ich wohne im Seefeld. Wollen wir uns beim Lindenhof treffen?
- Ou ja, gute Idee! In einer Stunde beim Lindenhof, ok? 
- Ok! Wir erkennen uns schon, oder?
- Ich erkenn dich sicher. Dein Gesicht hat sich in diesem Schockmoment damals in mein Gedächtnis eingebrannt ;)
- Ich hoffe du verbindest mein Gesicht jetzt nicht mit einem Schock ;) Solltest du mich trotzdem nicht mehr erkennen können, werde ich dich sicherlich erkennen. Du bist unverwechselbar :)
- :) Bis bald! Ich freue mich!
- Ich mich auch! Bis bald!

Gleich nachdem ich diesen letzten Satz geschrieben hatte, rannte ich rüber in mein Badezimmer, duschte mich und machte mich zurecht. Ein seltenes Glücksgefühl, das ich schon lange nicht mehr verspürte, durchströmte meinen Körper von Kopf bis Fuss. Es kam mir so vor, als könnte ich nun nichts mehr falsch machen; ja es war eine seltsame Zuversicht, ein Vertrauen in den mir gegebenen Schicksalsweg, welches ich aber nicht näher beschreiben kann. Beschwingt von dieser Zuversicht griff ich im Kühlschrank eine Flasche Prosecco, nahm zwei Gläser und machte mich auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Ich nahm das 4er-Tram und stieg bei der Rudolf-Brun-Brücke aus. Als ich die Treppen der Urania-Wache hochstieg, machte sich in mir plötzlich die Nervosität zu spüren, welche die vorhergehende Zuversicht langsam aber stetig zu verdrängen schien. War das wirklich eine gute Idee? Wie wird das rauskommen? Werden wir uns verstehen? Fragen, auf die es keine Antwort geben konnte, solange man sich nicht der Situation stellen würde, drehten sich in meinem Kopf im Kreise. Und als ich schliesslich die Treppen zum Lindenhof raufstieg, spürte ich den tiefen und starken Schlag meines Herzens bis in die Fingerspitzen. Leichter Angstschweiss benässte meine Fingerkuppen und das Adrenalin in meinem Blut schien mich lähmen zu wollen. Dann erblickte ich sie, bei der Mauer des Lindenhofs stehend, hinter ihr im Abendrot das Grossmünster. Mechanischen Ganges schritt ich auf sich zu. Mein Blickfeld verengte sich; es schien fast so, als hätte das Universum einen Mittelpunkt: uns. Dort stand sie also da. Sie trug schwarze Leggins und Ballerinas, dazu ein Hemd aus Jeansstoff, welches sie an den Ärmeln hochgekrempelt hatte. Ihr Haar schmückte ein einfaches, braunes Hippielederband.

Ich lächelte unsicher in ihre Richtung, woraufhin sie in einer ähnlich unsicheren Art und Weise mein Lächeln erwiderte. Wir begrüssten uns. Drei kurze Küsse auf die Wangen, obschon mir dies absurd erschien. Viel lieber hätte ich sie auf ihre Lippen geküsst und mir war fast ein wenig so, als erginge es ihr ähnlich, denn als sich unsere Wangen berührten, drückte sie ihren Kopf sanft aber bestimmt an den meinen und verharrte länger so, als es bei Begrüssungen üblich ist. Wir setzten uns auf die Mauer und blickten hinunter zur Limmat. Stille kehrte für einen kurzen Moment ein und ich unterbrach diese, die mir unangenehm schien, mit der wohl reichlich dämlichen Frage, ob sie den Weg hierhin gut gefunden hat. Entsetzt über den Blödsinn, der mir soeben über die Lippen huschte, schickte ich ein Lächeln nach, das klarmachen sollte, dass es bloss ein schlechter Witz war.

'Klar', sagte sie. 'Ich bin öfters hier oben. Ich liebe es an solchen Abenden wie heute einer ist hier oben zu sein. Ich fühle mich dann so...frei und aufgehoben' erzählte sie, woraufhin ihre tiefbraunen Augen ein wenig zu funkeln schienen.

Es war tatsächlich ein speziell schöner Abend. Die lähmende Sommerhitze des Tages war mittlerweile gewichen, aber doch fühlte man sich noch wie von einer warmen und flauschigen Decke umhüllt. In der Luft lag der Duft von Sommer und Liebe. Vor allem Liebe, wie mir schien.

'Du hast jetzt auch Sommerferien oder?' fragte ich sie. Eine dumme Frage, wie mir schien, aber zum Glück schien die Frage ihr nichts auszumachen.
'Jap, endlich Ferien!' sie lachte und reckte freudig ihre Arme in die Höhe. 'Was hast du so vor während diesen Ferien?'
'Ich werde bloss Nachhilfestunden nehmen' scherzte ich.
'Im Ernst?' fragte sie ein wenig ungläubig.
'Nein, natürlich nicht. Aber meine Mum will mich dazu verdonnern, Nachhilfestunden zu nehmen'
'Soso, ein schlechter Schüler also?' fragte sie keck
'Ach, bloss in einigen Fächern. Aber meine Mum will, dass ich in allen Fächern gut bin'
'Ohje, das ist bei meinen Eltern genau dasselbe' sie verdrehte ihre Augen und kam wieder auf die Ferien zu sprechen:
'Aber sag schon, was tust du so, während diesen Ferien?'
'Ich werde sicherlich eine Woche oder so mit einem alten Camper verreisen, den zwei Freunde und ich vor kurzem ersteigert haben'
'Wow! So cool! Von so etwas habe ich auch schon immer geträumt. Einfach dorthin zu fahren, wo man hin will und alle Sorgen zu Hause zu lassen' sagte sie begeistert.
'Und was machst du so?' fragte ich sie.
'Nächste Woche verreise ich mit einigen Freundinnen nach Lugano. Die Eltern von einer haben dort ein Ferienhäuschen. Und dann' ihre Stimme hob sich an 'werde ich nach New York zu einer Cousine reisen. Ich freue mich schon seit einem halben Jahr darauf!'
'Wow! Ich beneide dich drum, da kannst du dir sicher sein!' gestand ich.

Der Moment schien mir gerade passend zu sein, jedenfalls zog ich den Prosecco und die beiden Plastikgläser aus meinem Jutesack.
'Lass uns ein Glas auf New York trinken. Oder auf heute Abend?'
'Du bist süss' meinte sie und lachte
'Und du bist mutig. Vielleicht fände ich das ganze jetzt gar nicht toll und kitschig?' fragte sie fordernd.
'Ich weiss nicht, es schien mir richtig zu sein, es zu tun'
'Gut hast du es getan' sagte sie leise und fügte an 'ich mag sowas'. Sie senkte kurz ihren Blick und wirkte etwas verlegen. Danach stiessen wir an und blickten uns gegenseitig für kurze Zeit in die Augen. Strom schien durch mich hindurch zu schiessen. Ihre Schönheit elektrisierte mich und erlaubte es mir nicht, ihr weiter in ihre haselnussbraunen Augen zu sehen. Verlegen blickte ich zu Boden. Merkwürdigerweise und gleichsam beruhigenderweise tat sie es mir gleich.

'Was willst du eigentlich nach der Matura tun?' fragte ich, weil mich die plötzliche Stille zwischen uns einerseits störte, aber andererseits interessierte es mich auch echt.
'Am Liebsten würde ich Klavier studieren an einem Konservatorium. Ich liebe es, aber ich weiss nicht, ob ich angenommen werde. Es soll eine ziemliche Herausforderung sein. Sollte es nicht klappen, werde ich wohl Biologie studieren. Finde Genetik total spannend! Und du hast schon Pläne?'
Ich war erstaunt, dass sie ihre Zukunft schon so vorausgeplant hatte, denn ich hatte noch keine Ahnung, wie ich zugeben musste.
'Einfach nichts mit Mathematik oder so seelenloses wie Wirtschaft. Es ist mir wichtig etwas zu studieren, hinter dem ich voll stehen kann. Aber am Liebsten würde ich irgendwie gar nie studieren. Ich möchte, das alles so bleibt, wie es ist. Dieses Erwachsenenleben macht mich nicht an.'
'Aber das Erwachsenenleben kann auch interessant sein. Du kannst von zu Hause ausziehen...' gab sie zu bedenken
'Möchtest du gerne von zu Hause weg?' fragte ich sie. Sie schien ein wenig nachdenklich zu werden:
'Ja, ich denke schon. Es ist nicht so toll zu Hause.'
'Geht mir gleich' sagte ich und spürte, wie ich ein wenig traurig wurde.
'Tut mir Leid...hmm weisst du, du hast Recht. Ich hab' irgendwie auch keine Lust aufs Erwachsenwerden. Ich will Klavier spielen uns sonst nichts anderes. Jeden Morgen aufstehen und einer Arbeit nachgehen, die man gar nicht mag und nur genau deshalb tut, weil man halt Geld braucht? Nein, das will ich nicht. Ich möchte am Ende des Tages, ja am Ende meines Lebens in den Spiegel schauen und sagen können, das es ok ist. Dass ich mir selbst treu geblieben bin'
Ihre klaren Worte erstaunten mich und ich musste lächeln. 'Du bist gut' sagte ich und lächelte immer noch 'Du hast soeben etwas ausgedrückt, was ich ebenfalls schon lange so fühlte, nur konnte ich es bloss noch nie in Worten ausdrücken'. Mir gefiel das. Allgemein; mir gefallen intelligente Frauen und sie schien ziemlich intelligent zu sein. Das machte sie in meinen Augen irgendwie noch schöner und mir wurde klar, dass ich sie wollte. Ich wollte, dass sie meine Freundin wird! Ich musste etwas tun...

'Sag mal, du gehst doch auf der Hohen Promenade zur Schule, nicht wahr?'
'Ja genau! Und du ins Stadelhofen oder?' antwortete sie.
'Bei euch findet doch jeweils ein Jahresabschlussball statt?' fragte ich wiederum.
'Jaaa!' antwortete sie freudig. 'Der ist morgen und ich freu mich schon total darauf!'

Ich hätte mir in diesem Moment gewünscht, dass sie mich fragen würde, ob ich sie begleite, obschon ich ja wusste, dass sie einen Freund hatte. Doch ich hoffte trotzdem, aber sie fragte nicht. Ich versuchte meinem Glück nachzuhelfen, aber ich tat es wohl auf eine ziemlich unglückliche Art und Weise;

'Und du gehst mit deinem Freund hin?'
'Ja. Er hat es mir zumindest versprochen' sagte sie zurückhaltend.

Ich hätte das Gespräch nicht auf ihren Freund lenken sollen, denn selbiges stockte nun ein wenig und ich spürte, wie sich ein Kloss in meinem Hals zu bilden schien und mir das Schlucken erschwerte. Gleichzeitig verkrampfte in mir etwas und meine anfängliche Euphorie schien verflogen. Wie konnte ich nur so naiv sein und glauben, dass sie ihn für mich verlassen würde? Der Abend war für mich von diesem Moment an gelaufen - ich konnte nicht mehr mich selbst sein. Gegen Mitternacht liefen wir vom Lindenhof runter zur Rudolf-Brun-Brücke. Dann standen wir da und schauten uns gegenseitig an. Ich brachte kein vernünftiges Wort aus mir raus. Ausser 'Ja dann...' woraufhin sie ebenfalls 'ja dann' sagte und zu Boden auf ihre Ballerinas blickte. Daraufhin hob sie wieder ihren Blick und flüsterte 'Danke für Alles. Und es tut mir Leid'. Sie schaute mir tief und traurig in die Augen und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Dann ging sie fort Richtung Central. Noch einmal drehte sie sich um und blickte über ihre Schulter zurück zu mir und lächelte schüchtern, während ich wie angewurzelt stehen blieb. Ich blickte ihr noch lange nach und hoffte, dass sie sich noch einmal umdrehen würde. Doch sie tat es nicht. Irgendwann drehte ich mich um und ging kraftlos zur nächsten Tramhaltestelle. Tränen schossen mir in die Augen. Das alles war zu viel.

Freitag, 16. Juli 2010

Fünfzehnter Eintrag

Heute liess ich die Schule sausen, genau wie es mir mein Vater empfahl. Es ist schon merkwürdig, wenn der eigene Vater einen zum Schule schwänzen anstiftet. Aber so what? Die Noten erhielten wir bereits gestern und wirklichen Unterricht hätten wir heute sowieso nicht mehr gehabt.

Gegen 9 Uhr traf ich heute morgen meinen Vater vor dem Café Schober. Dort tranken wir zusammen Kaffee und frühstückten ausgiebig. Wir sprachen über dies und das. BP, Wirtschaftskrise, Mode, Kunst, Literatur. Ich mag diese Gespräche mit meinem Vater, er hat so ein unglaublich breites Allgemeinwissen und er kennt zu fast allen Themen eine Geschichte, die mit seinem Leben verbunden sind. Ein wenig betrübt mich das auch, weil mein Leben mir dann so normal und langweilig vorkommt.

Nach gut eineinhalb Stunden brachen wir auf und schlenderten durchs Niederdörfli hinunter zur Limmat und dann über die Rudolf-Brun-Brücke hinüber in die Bahnhofstrasse. Mein Vater schlug vor einen Abstecher in den Globus zu machen. Er wollte mir einen Anzug kaufen, so quasi als verspätetes Geschenk zu meinem achtzehnten Geburtstag. Ich lehnte zuerst ab und meinte, dass das doch nicht nötig sei, aber er insistierte und bestand irgendwie darauf. Naja, kann auch nicht schaden dachte ich mir dann. Haben dann einen klassisch schwarzen Anzug von Strellson gekauft und dazu noch einige Hemden von Gant. Sieht ganz gut aus und irgendwie freue ich mich auf eine Gelegenheit ihn zum ersten mal anzuziehen. Daraufhin gingen wir noch zu H&M rüber und kauften uns sonst noch einige Klamotten. Ein Mann könne nie gut genug aussehen meinte mein Vater augenzwinkernd.

Leider musste er daraufhin bereits schon wieder weiter. Er hatte noch eine Verabredung mit einer Geschäftsfreundin oder vielleicht ist es auch seine Freundin; ich weiss es nicht so genau. Er liess sich nicht so recht in die Karten blicken. Naja, auf in ein paar Monaten dann wieder...

Jetzt weiss ich noch nicht so recht, was ich heute noch tun soll. Mir ist irgendwie gerade nicht so nach Ausgang und schon wieder saufen. Vielleicht treff ich heute Aline mal noch im MSN an. Ich sollte etwas riskieren...

Donnerstag, 15. Juli 2010

Vierzehnter Eintrag

Es ist nun schon fast wieder zwei Monate her, seitdem ich meinen Vater zum letzten Mal gesehen habe. Heute Abend war es wieder soweit; er lud mich in die Brasserie Lipp auf ein köstliches Abendessen ein. Bis heute morgen wusste ich noch nichts davon. Mein Vater erschien wieder einmal auf einen Blitzbesuch hier in Zürich, das ist bei ihm immer so. Während den letzten beiden Monaten arbeitete er in Paris an so einer Untersuchung über die Wirtschaftskrise mit. Ich kann gar nicht so genau sagen, was seine Arbeit ist und worin sie besteht. Ich weiss bloss, dass er häufig mit Politikern und Wirtschaftsleuten zu tun hat und diese berät. Deshalb ist er mal hier und mal dort. Offiziell wohnt er zwar in Paris, irgendwo im I. Arrondissement in der Nähe der Nôtre Dame Kathedrale, aber wirklich häufig zu Hause ist er nicht. Im Moment arbeitet er während 3 Wochen an einem ähnlichen Wirtschaftsprojekt beim Bund in Bern mit. Es war eine sponante Anfrage, meinte er. Ein anderer Berater sei kurzfristig abgesprungen und er wäre nun an seiner Stelle tätig. Ansonsten hätte er sich schon früher bei mir gemeldet.

Mein Vater und ich, wir verstehen uns gut. Viele sind im ersten Moment erstaunt, wenn ich das sage. Denn mein Vater war ja eigentlich nie da, wenn man so will. Er und meine Mutter trennten sich, als ich noch ganz klein war und ich sah ihn seitdem bloss ungefähr jeden zweiten oder dritten Monat. Aber ich nehme ihm das irgendwie nicht übel, ich verstehe ihn sogar ein Stück weit. Es ist einfach so, dass, wenn mein Vater da ist, dann ist er nur für und ausschliesslich für mich da. Die ein oder zwei Tage, während denen wir zusammen ist, dreht sich dann alles um mich. Und was ich an ihm am Meisten schätze, ist, dass er mir zuhört. Nicht wie meine Mutter oder ihr bescheuerter Freund Hampi.

Ich erzählte meinem Vater vom Nachhilfekurs, für welchen meine Mutter mich angemeldet hat.

- Hmm, ja das sieht ihr ähnlich. Damit hat sie einerseits Recht, aber auch nicht Recht
- Wie meinst du das?
- Sie hat insofern Recht, als dass es wichtig ist, dass du das Gymnasium abschliesst. Sie hat aber nicht Recht damit, dass sie das schulische über Alles stellt. Letztendlich kommt es im Leben nicht auf Noten an; entscheidend ist lediglich, was du daraus machst. Selbstinitiative, Überzeugungskraft und Kreativität. Lerne dich zu verkaufen, getrau dich Dinge anzupacken, die Grösser als du selbst zu sein scheinen, überrasche dich selbst.
- Ja, ich sage das Mum auch immer, aber sie hört mir nicht zu. Sie redet immer bloss von Fleiss, Fleiss, Fleiss.
- Versteh' mich nicht falsch; ich möchte dich nicht dazu einladen, faul zu sein. Ohne Fleiss kein Preis, das ist immer noch so. Aber versteif dich nicht auf den Fleiss, ja versteif dich nicht auf schulischen oder beruflichen Erfolg. Vergiss niemals, dass du nebenbei auch noch lebst.
- Meinst du mit Leben die Liebe?
- Ohne Liebe kein Leben, Jérôme. Was, wenn nicht die Liebe, würde uns über Wasser halten und uns erlauben die Dinge zu leiste, die wir leisten?
Er lachte herzlich und klopfte mir auf die Schulter. Gleichsam fuhr er fort:
- Jérôme, liebst du?
- Nun ja, vielleicht?
- Weiss sie davon?
- Nein, ich denke nicht
- Weisst du, manchmal ist es vernünftig Dinge zu tun, die im ersten Augenblick unvernünftig erscheinen,  die aber dein Herz bejaht. Riskiere etwas. Riskiere es, dass sie dir eine Abfuhr erteilt, riskiere es, dass sie dich zurückweist; dann weisst du wenigstens, woran du bist. Tust du es nicht, so wirst du niemals erfahren, ob sie dich auch geliebt hat oder nicht. Geh' raus und mach Erfahrungen, solange du jung bist.
- Es ist nicht so einfach, weisst du. Es macht mir Angst.
- Oh ja, natürlich. Ich weiss das sehr gut, denn es erging mir genau gleich, als ich in deinem Alter war. Leider habe ich es damals verpasst, unvernünftig zu sein und auf mein Herz zu hören. Ich will nicht, dass du den selben Fehler begehst und es später bereust.
- Weshalb bereuen? Bereust du dein Leben? Du hast doch so vieles erreicht, weshalb solltest du es bereuen?
- Weisst du, Jérôme, Reichtum und Ansehen ist das Eine. Wie es in deinem Herzen aussieht, ist das Andere. Versuche stets beides im Gleichgewicht zu halten.

Er wirkte irgendwie traurig, was mich verwirrte. Ich versuchte ihn zu trösten, indem ich versprach Dinge zu riskieren.

- Ich verstehe, ich werde also versuchen unvernünftig zu sein.

Wir lachten beide.

- Was machst du morgen? fragte er
- Naja, ich bin in der Schule halt
- Wollen wir unvernünftig sein und ein wenig shoppen gehen?
- Du meinst ich soll die Schule schwänzen?
- Riskier etwas. In der letzten Woche vor den Sommerferien verpasst du in der Regel eh nie etwas
- Du hast Recht. Dann gehen wir morgen shoppen.

Die Unterhaltung mit meinem Vater tat mir gut und ich freue mich auf den morgigen Tag. Es scheint so, als wolle mich irgendetwas, irgendeine Kraft dazu anstiften, Dinge zu riskieren, sie herauszufordern. Schon Bice riet mir neulich dazu. Aber vielleicht ist es ja auch gar keine Kraft, Schicksal oder was auch immer, die da im Hintergrund wirkt, sondern vielleicht bin ich es ja auch, der so unglaublich träge ist und nichts riskiert, sodass es allen um mich herum auffällt...

Mittwoch, 14. Juli 2010

Dreizehnter Eintrag

War heute Abend zusammen mit Bice am See. Sie rief mich kurz nach der Schule an und fragte mich, ob ich Zeit hätte. Klar hatte ich, denn sie klang so, als hätte sie erst vor kurzem noch geweint und schien total zerstört zu sein. Eigentlich war sie schon den ganzen Tag irgendwie traurig, aber sie wollte mir nicht erzählen, was los ist. Erst dann, heute Abend halt. Naja und dann traf ich mich mit Bice schliesslich um 8 beim Bellevue. Bice und ich - wir sind so etwas wie beste Freunde und der beste Beweis dafür, dass das mit der Freundschaft zwischen Jungs und Mädels tatsächlich funktionieren kann. Als Bice und ich an der Seepromenade wo hinsassen und wir einen Moment lang nicht redeten, begann sie plötzlich zu schluchzen und spuckte es schliesslich aus

- Ich hab mit Kris Schluss gemacht. Es konnte so einfach nicht mehr weiter gehen. Immer wenn er betrunken ist, verliert er völlig die Kontrolle und ist nicht mehr sich selbst. Dass du seinetwegen zwei mal verprügelt wurdest tut mir so unendlich Lied und das am letzten Freitag war einfach zu viel.
- ...
- Du musst nichts dazu sagen
- Doch, ich brauchte nur einen Augenblick um es zu verdauen. Hmm, bist du mir böse, wenn ich sage, dass dein Schritt in meinen Augen richtig war, da er ein riesen Arschloch ist?
- Ich verstehe, dass du so über ihn denkst. Aber er konnte auch anders sein. Ganz lieb und so....
- Vor mir hat er ständig den Obermacker gespielt; das ging mir sowas von gegen den Strich!
- Ich weiss...
- Bice, kannst du mir eine Frage beantworten? Weshalb fällst du immer wieder auf solche Typen rein? Oder ganz generell gesprochen, weshalb lässt ihr Frauen euch von solchen Typen so mies behandeln?
- Ich weiss es doch selber nicht, im Nachhinein bereue ich es ja auch immer wieder aufs Neue. Aber es wird wohl der Reiz sein oder es ist bei solchen Typen einfacher. Ach, was weiss ich...
- Ich kapier einfach nicht, was ich falsch mache. Weshalb verliebt ihr euch in solche Arschlöcher und Nullnummern wie Kris und ich reiche euch bloss zum besten Kumpel?!
- Weil du nichts machst
- Wie weil ich nichts mache?
- Naja, ein Mädchen will erobert werden. An die Wand gedrückt und geküsst werden. Das machst du nicht - oder hast du etwas schon einmal ein Mädchen von dir aus geküsst?
- Hmm, nein, es kam immer von ihnen aus...
- Siehst du?
- Ja, aber...
- Es geht darum, dass du um das Mädchen kämpfen und ihr zeigen musst, dass du sie liebst. Kris mag zwar ein Arschloch sein, aber er hat um mich gekämpft damals. Er stand vor meinem Fenster mit einer Rose. Und auch wenn das fürchterlich kitschig kling und es ist es auch, aber es gefiel mir. Und letztlich küsste ER mich, als wir zusammen etwas trinken waren...

Wir sprachen noch lange weiter über Kris und die Problematik mit dem ersten Schritt. Ist es wirklich so? Mir ist, glaube ich, jedenfalls heute einiges klar geworden. Bisher habe ich nämlich wirklich noch nie den entscheidenden Schritt auf sie zu gemacht, sondern es kam dann am Ende immer von ihr aus. Und wenn ich mich einmal ganz fest in ein Mädchen verliebt hatte, tat ich nichts, um es ihr zu zeigen. Hm...

Sonntag, 11. Juli 2010

Zwölfter Eintrag

Mein Leben gleicht derzeit einem wilden Ritt auf einer turbulenten Achterbahn. Gestern Abend sass ich noch ziemlich geknickt und angeschissen vor meinem Computer und schaute mir einige Fotos von früher an. Auf Ausgang hatte ich echt keine Lust. Dann plötzlich erhielt ich per Mail die Benachrichtigung, dass Aline (das Mädchen vom Tram) meine Freundschaftsanfrage auf Facebook angenommen hat. Meine Stimmung kehrte schlagartig. Oh mann, man muss sich das einmal vorstellen. Offenbar schien sie zu wissen, wer ich bin, hatte sich mein Gesicht gemerkt und ich mutmasste, dass ich ihr nicht ganz unsympathisch sein dürfte, ansonsten hätte sie meine Anfrage ja wohl kaum angenommen.

Wenig später entdeckte ich sie im Facebook-Chat. Soll ich sie anschreiben oder nicht? Soll ich, soll ich nicht? Mein Herz schlug wie wild. Ich tat es. Ich schrieb ihr. Pures Adrenalin in meinen Venen.

- Hey du!
- Hey! Mein Retter ;)
- Du erinnerst dich noch an mich?
- Klar! War ja auch eine ziemlich peinliche Aktion von mir!
- Halb so wild! Fand es nicht peinlich, kann ja mal passieren.
- Haha. Ok, da bin ich aber beruhigt. Aber woher wusstest du, wer ich bin? Wir sind uns ja gar nicht, oder?
- Nein, tun wir nicht. Hmm, ich dachte mir du siehst wie eine Aline und hab's dann halt mal probiert und hatte offensichtlich Glück
- :) Ach Unsinn. Erzähl schon, woher wusstest du meinen Namen?
- Ok, ja ich geb's ja zu, ich hab gehört, wie eine deiner Freundinnen deinen Namen genannt hat und hab dann einfach mal im Facebook auf gut Glück deinen Namen eingegeben und dich gefunden, weil wir zwei gemeinsame Freunde haben.
- Im Tram? Da war ich doch alleine?!
- Nein, zuvor. Beim Bellevue.
- Ah stimmt, du warst dort auch oder? Du bist mir aufgefallen. Aber du bist sonst nie in diesem Tram oder? Hab' dich sonst noch nie auf diesem gesehen?
- Genau. Nein ich bin sonst nie auf diesem Tram, muss eigentlich in eine andere Richtung, aber ich wollte noch ins Sihlcity und nahm deshalb das 14er-Tram
- Schon? Geht es mit dem 2er und dann mit dem 13er nicht viel schneller?
- Hmm ja stimmt :)
- Haha ;)
- Und du, gehst du heute Abend gar nicht fort?
- Nein, also eigentlich wollte ich ja schon, aber jetzt doch nicht...
- Etwas dazwischen gekommen?
- Ja, mein Freund hat mich mal wieder versetzt ^^
- Ist aber nicht nett. So eine wie dich versetzt man nicht!
- Wie meinst du das?
- Ach bloss so...ich meine...man versetzt seine eigene Freundin nicht...
- Hmm...deine Freundin kann sich mit dir glücklich schätzen. Meiner hat mich versetzt, weil er heute mit seinen Kumpel saufen wollte. Wie toll ist das denn? Er zieht einen Kater seiner Freundin vor! Naja ^^
- Hmm, ja, wenn es sie geben würde, würde ich sie bestimmt nicht versetzen. Habe da meine Prinzipien
- Soso, schön dass es auch noch solche Männer gibt; die Frauen reissen sich bestimmt um dich ;)
- Haha schön wär's und wenn, dann tun sie das relativ unauffällig ;)
- Nicht so bescheiden ;) Wie lange bist du denn schon ohne eine bessere Hälfte?
- Hmm...sind jetzt so ein paar Monate. Und du? Wie lange bist du schon mit ihm zusammen?
- Jetzt sind es dann bald fünf Monate ^^
- Und bist du glücklich?
- Ja schon
- Aber heute nicht oder?
- Nein, heute nicht...
- Macht er das öfter?
- Leider schon ^^
- Ich verstehe das nicht ganz...ihr Frauen lasst euch manchmal so viel von euren Freunden gefallen. Ihr hättet etwas Besseres verdient.
- ...
- Sorry, ich wollte dir nicht zu Nahe treten
- Ist schon ok, es ist bloss so...dass ich mir das irgendwie auch schon so in ähnlicher Weise gedacht habe. Aber ich bin selbst Schuld, er bedeutet mir halt so viel...
- Kennst du ihn schon länger?
- Ja, schon seit zwei Jahren
- Ist er älter?
- Ja..er ist 20. Er studiert seit letztem Sommer
- Und wie alt bist du eigentlich?
- 18. Du?
- Ich auch :) Hmm...lass mich raten: Er ist damals ins selbe Schulhaus wie du zur Schule gegangen und du hast dich in ihn verknallt. Lange Zeit bist du auf ihn gestanden und er hat nie wirklich von dir Notiz genommen, bis es dann plötzlich doch einmal geschah und ihr irgendwie zusammengekommen seid?
- ...
- Sorry
- Nein, es war ziemlich genau so. Woher weisst du das? Bist du sicher, dass wir uns nicht kennen. Das wird mir fast ein wenig unheimlich
- Haha nein, ich kenne dich wirklich nicht. Ich schaue mir bloss gerne Filme an und übertrage sie leider viel zu oft auf die Realität ;)
- :) Du bist mir sympathisch. Mein Gott, es ist irgendwie total merkwürdig. Wir kennen uns noch gar nicht, aber es kommt mir so vor, als seien wir schon lange Freunde.
- Aline, I think this is the beginning of a beautiful friendship
- Casablanca :)
- Wow :D
- Hey du? Ich würde zwar gerne noch mit dir weiter chatten, fühl mich aber total müde und geh deshalb mal schlafen. Hast du eigentlich MSN?


Ich bin jetzt noch immer ganz aufgekratzt wegen diesem Gespräch. Habe jetzt sicher schon drei mal das Chatprotokoll durchgelesen. Und ich hab wieder mal den totalen Müll hingeschrieben. Wollte ins Sihlcity und hab deshalb den 14er genommen? Wie dämlich ist das denn?! Sie hat mich sicherlich durchschaut :S Und naja, meine letzte Freundin ein paar Monate? Hmm, wenn sie wüsste. Aber ich will ja nicht wie der totale Loser dastehen...mann, mann, ich hoffe das kommt gut...hab' sie jetzt in meinem MSN und freue mich, sie wieder zu "sehen" :)

Samstag, 10. Juli 2010

Elfter Eintrag

Gibt es etwas Beschisseneres als mit einem Kater aufzuwachen? Definitiv. Und zwar mit einem Kater und einem blau geschlagenen Auge aufzuwachen. Nun ja, selbiges ist mir heute widerfahren. Das alles kam folgendermassen:

Wir waren gestern bei Bice zu Hause. Das heisst wir waren Bice, Mick, ich und Bices' bescheuerter Vollpfostenfreund Kris. Bice hat dieses Wochenende sturmfrei, weshalb wir bei ihr vorglühten. B52, Vodka, Kleiner Feigling, Wein und Bier. Teenagerspiele wie Kartenblasen und Trichtertrinken durften natürlich nicht fehlen. Das Übliche halt. Nach ein paar Stunden waren wir alle ziemlich heftig angetrunken und lagen verstreut auf dem Boden im Wohnzimmer von Bices' Eltern herum. Irgendwann tauchte die Idee auf, dass wir ja noch ausgehen könnten. Mick und mir war es eigentlich egal, wo es hinging. Nur Kris wollte unbedingt in die Alte Börse, da dort eine Electro-Party angesagt war und er fährt ja vollkommen auf diesen Mist ab.

Nach ein paar weiteren Feiglingen waren wir draussen auf der Strasse. Ich weiss nicht mehr genau, was in uns gefahren ist, vermutlich war es der Alkohol, der uns sprichwörtlich eingefahren ist, aber jedenfalls begannen wir Pflanzen auszureissen. Immer, wenn wir eine Blumenkiste auf einem Fensterbrett erblickten, beraubten wir sie ihrer Blütenpracht und schmissen die Blüten achtlos auf den Asphalt oder bewarfen uns gegenseitig damit. Völlig idiotisch und sinnlos im Nachhinein, aber just im Moment machte es grossen Spass. Kris kam dann irgendwann auf die Idee eine Mülltonne umzuschmeissen und eine andere inmitten der Tramgleise abzustellen. Wir waren wohl verdammt laut, denn an mehreren Orten gingen die Lichter an und alte Männer blickten aus dem Fenster hinaus und drohten mit der Polizei. Da wir nun dann doch keine Lust auf die Polizei hatten, rannten wir weg.

Nach ungefähr fünf gefühlten Minuten kamen wir bei der alten Börse an. Leider waren wir nicht die Einzigen, denn eine beachtliche Menschenschlange stand bereits dort und wartete darauf, eingelassen zu werden. Mick und mich schiss es gewaltig an, jetzt hier anzustehen. Aber Kris wollte unbedingt rein, weil heute irgend so ein verkackter DJ, den er verdammt geil fände, auflegen würde. Also standen wir an. Mehr oder weniger geduldig. Irgendwann begann Kris damit, zu drängeln und drücken. Die zuvor gute Laune in der Schlange begann zu kippen. Mädchen schrien Kris an und Typen drohten ihm mit Schlägen. Kris pöbelte natürlich zurück. Die Stimmung wurde immer gereizter und der Lärmpegel stieg. Offenbar blieb dies auch den Türstehern nicht verborgen, denn wie aus dem nicht heraus, packte einer Kris am Hals und zog ihn mit sich. Mick und ich konnten beobachten wie zwei Türsteher Kris niederdrückten, seine Personalien aufnahmen und ihm danach zu verstehen gaben, dass er abhauen sollte.

Nun ja, da wir nicht gut ohne den Idioten in den Club gehen konnten, verliessen wir ebenfalls die Schlange. Als wir wieder draussen auf dem Bürgersteig standen, trafen wir auf Tom, der ebenfalls mit Mick und mir in die selbe Klasse geht. Eigentlich ist dieser Tom nicht wirklich erwähnenswert. Er ist so ein Mensch ohne Eigenschaften. Es entwickelte sich irgendeine nichtige Konversation über Alkohol und Frauen, der ich gerne möglichst bald entfliehen wollte. Nun gut, die Diskussion dauerte dann auch gar nicht so lange, denn plötzlich lenkte der fluchende Kris unsere Aufmerksamkeit auf sich. In der Hand hielt er eine halbleere Weinflasche und fuchtelte damit herum. Bice schimpfte derweil auf ihn ein und schien ihn von irgendetwas abhalten zu wollen. Wohl weil ich wissen wollte, was hier vor sich geht, ging ich ebenfalls hin und realisierte, dass Kris diese Weinflasche den Türstehern an den Kopf schmeissen will. Ich versuchte ebenfalls ihn davon abzuhalten, aber es half nicht. Er warf die Flasche. Diese traf jedoch keinen Türsteher, sondern landete lediglich vor deren Füssen, wo sie in tausend Splitter barst und alle die in der Nähe waren, mit Wein begoss.

Es ging auch nun wieder ganz schnell. Nachdem sich Kris aus dem Staub gemacht hat und ich wie ein Ölgötze stehen blieb, packte mich einer der Türsteher an der Gurgel. Natürlich wehrte ich mich, da ich diesem dummen Arschloch nichts getan hab, aber das interessierte ihn nicht. Stattdessen verpasste er mir einen Faustschlag aufs Auge und warf mich zu Boden. Danach zog er mich hoch, schleppte mich einige Meter mit sich und deutete auch mir, nun schleunigst zu verschwinden, da es mir ansonsten noch deutlich schlimmer ergehen werde.

Ich ging. Ich hatte genug. Ich kochte vor Wut und lief weg. Bice und Mick hinter mir her. Sie versuchten mich zu beschwichtigen. Irgendwann sass ich wo auf den Gehsteig und starrte vor mich her ins Nichts. Dann tauchte plötzlich Kris auf und kam auf uns zu. Statt zu fragen, wie es mir geht oder sich zu entschuldigen, lachte er mich aus und meinte, ich müsse halt schneller sein. Das war zu viel des Guten und ich fiel eine Furie über Kris her. Ich weiss nicht mehr wie oft ich ihm die Faust ins Gesicht geschlagen habe, aber es waren einige Male. Ich liess erst von ihm ab, als Bice und Mick mich gemeinsam von ihm herunterrissen.

Kris blutete aus der Nase und spuckte Blut.
- 'Du verdammter Hurensohn, das zahl ich dir Heim!' wagte es diese Missgeburt mir zu drohen.
Ich wollte abermals auf ihn losgehen, aber Mick und Bice gingen dazwischen. Kris zog derweil den Schwanz ein und verschwand. Ich weiss nicht wohin. War mir auch egal. Bice sass nun auf dem Boden und weinte. Ich setzte mich neben sie hin und konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Was war geschehen? Warum kam es soweit? Und wie geht es jetzt weiter? Alles wegen diesem verschissenen Alkohol!

Zehnter Eintrag

BIn sTurzbetrunkken.

Freitag, 9. Juli 2010

Neunter Eintrag

Der heutige Tag war fast so etwas wie die Wiedergutmachung für den Gestrigen. Alles war nahezu perfekt. Die erste gute Nachricht: Der Camper gehört uns! Pedro hat gestern Abend bei der Auktion mitgeboten und Glück gehabt, dass niemand sonst noch mitgeboten hat. Wir sind nun zwar um 1550.- ärmer, aber dafür um einen Camper und wohl schon bald um einige grosse Abenteuer reicher! Pedro hat erzählt, dass der Camper einigen jungen Typen gehöre, die nur wenig älter als wir selbst sind. Studenten oder sowas. Ferner hätten sie erzählt, dass wir die Kiste prinzipiell schon nächste Woche abholen kommen könnten. Wir müssen dann einfach in irgend so ein kleines Kaff aufs Land raus fahren. Der Ort heisst Wald. Das klingt ja schon total nach Weltende. Nichtsdestotrotz freue ich mich bereits wie blöd darauf!

Der eigentliche Grund für meine unsagbare Glückseligkeit ist aber ein anderer - glaubt es oder glaubt es nicht, aber ich habe dieses Mädchen, das ich neulich im Tram "kennengelernt" habe, ausfindig gemacht. Facebook sei Dank! Mir war damals beim Bellevue nämlich, als hätte eine ihrer Kolleginnen ihren Namen genannt: Aline. Ich habe dann einfach mal im Facebook auf gut Glück nach ihr gesucht und wurde ziemlich bald fündig, da wir zwei gemeinsame Freunde haben. Zudem geht sie, wie ich ihrem Profil entnehmen konnte, ganz in der Nähe zur Schule - in der Hohen Promenade. Gleich neben meiner Schule, der KS Stadelhofen. Bleibt nun nur noch zu hoffen, dass sie meine Freundschaftsanfrage annimmt...

Donnerstag, 8. Juli 2010

Achter Eintrag

Ich hab's nun schwarz auf weiss, dass ich abgekackt habe: Physik 2-3 und Mathe 3. (Jaja hier in der Schweiz ist eine 1 leider die schlechteste Note). Das bedeutet, dass ich im Abschlusszeugnis in Mathe und Physik je auf eine 3 kommen werde. Weiter schlimm ist das ja eigentlich gar nicht, da ich diese Tiefnoten mit meinen Noten in Deutsch, Französisch und Englisch problemlos kompensieren kann. Ich bin wirklich gut in diesen Fächern, aber das anerkennt keiner. Zumindest meine Mutter nicht. Naja, sie verlangt jeweils alle meine Prüfungen zu sehen. Zeige ich sie nicht oder erwähne ich länger keine Prüfungen, durchsucht sie meine Schulunterlagen oder ruft gar die Lehrer an. Ist ja auch schon vorgekommen. Ich hasse das so. Ich meine, sie hat verdammt nochmals kein Recht dazu!

Heute Abend folgte dann einmal mehr eine derart mühsame Diskussion mit meiner Mutter und ihrem bescheuerten Freund Hampi, wie es sie jedes mal gibt, wenn ich eine schlechte Note nach Hause bringe.

- Jérôme, wir müssen reden. Über deine Noten
- Schon wieder?
- Ja schon wieder. Du hast ja schliesslich auch schon wieder schlechte Noten nach Hause gebracht
- Und was ändert das daran, wenn wir darüber reden?
- Ich möchte, dass du dich änderst, dir mehr Mühe gibst. Schau, du tust es für dich und nicht für die Schule
- Aber wieso? Es reicht ja. Ich schreibe auch sehr gute Noten in andern Fächern
- Ja, aber das reicht nicht. Du musst überall gut sein
- Verdammt nochmal, könntest du endlich auch einmal etwas anerkennen, was ich tu' und leiste?
- Ja natürlich, ich finde das ja auch sehr gut, was du leistest, aber es reicht eben nicht. Heute musst du zu den Besten gehören, um irgendwo genommen zu werden. Heutzutage findet man nicht mehr selbstverständlich einen Job - man muss wirklich gut sein!
- WESHALB sollte ich gut sein in Mathematik, Physik und in all diesen Mistfächern, wenn es mich nicht interessiert und wenn ich schon jetzt weiss, dass ich nie etwas in dieser Richtung machen werde?!

Der Schleimsack Hampi mischt sich nun ein

- Jérôme, Mathematik ist überall wichtig, du kannst dich nicht davor drücken. Selbst als Psychologiestudent müsstest du Statistik beherrschen!
- Will ich denn so ein gesichtsloser Zahlenmensch werden? Ein Kundenberater auf einer Bank, der seinen Kunden in den Hintern kriecht und ihnen erklärt, wie sie noch mehr Profit machen können?
- Jérôme, das ist nicht fair. Ich mache meinen Job, wie ein jeder seinen Job macht. Da gehören halt auch nunmal unangenehme Seiten dazu. Da kann man sich nicht davor drücken, das wirst auch du irgendwann sehen
- Ja, du machst es so wie alle: Lächeln, Boni kassieren und keine Verantwortung tragen wollen. Verantwortung ist wohl auch ein unangenehmer Teil deines Businesses.
- Die Dinge sind längst nicht so einfach, wie du denkst. Du hast doch überhaupt keine Ahnung vom Leben mit deinen 18 Jahren...
- Hab' ich sehr wohl. Ich musste schon jede Menge Scheisse schlucken

Meine Mutter schlichtet schliesslich und fällt mir ins Wort

- Wir verlieren wieder den Gesprächsfaden. Es geht jetzt um deine Noten, Jérôme. Du weisst du hast nächstes Jahr deine Matura und ich möchte, dass du diese bestehst. Ich habe mich deshalb erkundigt; es gibt ganz in der Nähe der Bahnhofsstrasse eine super Nachhilfeschule, die Repetitionskurse während den Sommerferien anbieten. Ich werde dich dort anmelden.
- Nein, das wirst du nicht!
- Doch, das werde ich. Es ist wirklich nur zu deinem Besten, Jérôme!

Wenn sie auf eines Gift nehmen kann, dann ist es das, dass ich diesen Dreckskurs sicherlich nicht besuchen werde! Das schwöre ich hier hoch und heilig!