Montag, 26. Juli 2010

Vierundzwanzigster Eintrag

Am darauffolgenden Morgen wurden wir bereits früh vom Dröhnen der Signalhorne nahegelegener Schiffe geweckt. Zudem roch es im Inneren des Campers schwer nach Fisch, Motorenöl und Cannabis, was uns schon bald dazu veranlasste, nach draussen zu fliehen, was natürlich wiederum völlig idiotisch war, da es draussen genau gleich, wenn nicht sogar noch stärker nach Hafen roch. Wir verliessen den mittlerweile komplett mit Reisecars zugestellten Parkplatz und suchten eine Fährenanlegestelle, um ins Zentrum Venedigs zu kommen.

Nun, es war kein schwieriges Unterfangen die Anlegestelle zu finden - man brauchte lediglich dem Touristenstrom zu folgen. Die Touristen, das sind vorzüglich Übergewichtige Rentner aus dem deutschen Sprachraum, die die italienischsprachige Minderheit auf der Anlegestelle auf Deutsch anzusprechen pflegen und sich darüber empören, dass ebendiese Italiener so schlecht Deutsch sprechen.

Nach etwas mehr als einer Dreiviertelstunde Anstehens konnten auch wir eins dieser Fährboote besteigen. Es schleppte uns einen breiten Kanal entlang und ich glaube, der Kanal hiess sogar richtig sinngemäss canale grande. Links und rechts von uns glitten baufällige Häuserzeilen vorbei, sowie vereinzelte Kirchentürme, Plätze und viele dieser venezianischen Gondelboote. Wir stürzten uns mehr oder weniger ins Ungewisse, da wir uns zuvor eigentlich überhaupt nicht mit Venedig auseinander gesetzt hatten.

Beim Markusplatz stiegen wir aus; es war der einzige Ort, der uns im Entferntesten von irgendwoher etwas sagte. Von dort aus pilgerten wir kreuz und quer durch verwinkelte Gässchen, über schmale Brücken und überquerten kleinere oder grössere von Touristen gesäumte Plätze.

Ich kam für mich selbst schnell zum Schluss, dass ich dieses Venedig nicht mag. Klar, ich wäre hier gerne mit Aline oder einer Freundin, die ich dann vielleicht irgendwann einmal haben werde. Aber eben, dieses Venedig, ich habe es mir anders vorgestellt. Ok, alles, was ich bisher darüber wusste, wusste ich aus alten Schwarzweissfilmen, de ich mir während schlaflosen Nächten auf Arte angesehen habe. Aber es ist so anders. So heruntergekommen, dreckig, künstlich und austauschbar.

Nach mehreren Stunden ziellosen Umherirrens, liessen wir uns am späten Nachmittag erschöpft in einem McDonald's nieder. Es war der einzige Ort weit und breit, der nicht so verflucht teuer war. Wir stopften mehr oder weniger wortlos unsere Mc-Irgendwas-Menüs in uns hinein. Es war in Ordnung. Die relative Ruhe, die an unserem Tisch, nicht aber in der restlichen McDonald's-Filiale herrschte, wurde plötzlich durch eine Mick-typische Aktion unterbrochen; er schüttete sich seine Cola über seine weissen Shorts. Er ärgerte sich. Wobei das dann nicht ein wirkliches Ärgern war, sondern eher so etwas zwischen Ärgern und einer Belustigung über sich selbst. Mick ist lustig, ohne dass er viel dazu tun müsste.

Nachdem er seine Shorts vergeblich zu reinigen versucht hatte, sank er ein wenig in sich zusammen und brummte 'ich mag diesen Ort hier nicht'. Pedro und ich pflichteten ihm bei. 'Aber sonst sind die Ferien bisher ganz geil. Wir haben bisher schon eine Menge erlebt' wendete Pedro ein. Mick gab ihm Recht. Wieder kehrte Stille ein und jeder starrte ein wenig vor sich hin und beobachtete die andern Touristen. 'Eigentlich sollten wir diese Ferien wirklich geniessen. Ich meine, wir sind noch gut ein Jahr zusammen in derselben Klasse und danach werden sich unsere Wege wohl trennen. Keine Ahnung, was dann kommen wird' sagte ich nach einer Weile. Dieser Gedanke geisterte mir schon lange im Kopf umher.

Pedro und Mick schien dieser Gedanke jedoch nicht gross zu beschäftigen. Einzig Mick stimmte leise zu und meinte 'ja, stimmt schon'. Damit hatte sich's aber. Ich fand das ein wenig Schade und hakte nach 'Nein, ich meine es ernst. Denkt doch mal drüber nach'. Wieder Stille. Pedro nahm einen tiefen Schluck aus seinem Colabecher und meinte dann 'Ach Jérôme, du zerbrichst dir in letzter Zeit über alle möglichen Dinge so den Kopf. Lass es doch einfach mal auf dich zukommen. Du kannst ja doch nicht sagen, was dann eventuell irgendwann einmal sein wird. Nimms locker'.

Pedros' Aussage begleitete mich noch lange an diesem Abend. Hm. Das sagt der so leicht. Wie soll das gehen? Man kann doch einen Gedanken nicht einfach unterdrücken?

1 Kommentar:

  1. Stimmt, seine Gedanken kann man nicht unterdrücken. Du schreibst so toll, ich liebe es deine Texte zu lesen (:

    Und Bitteschön <3

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