Mittwoch, 7. Juli 2010

Siebter Eintrag

Die Sonne brennt schon seit Tagen erbarmungslos auf uns herunter. Die Hitze überzieht die Stadt wie eine dickflüssige Suppe und erstickt darunter tagsüber jegliches Leben. Bloss der Abend erlaubt etwas Abwechslung und lädt zu Spaziergängen am See ein. Dann liegt jeweils dieser sonderbare Duft in der Luft; es riecht nach Liebe, Erwartung und der Gewissenheit, dass grösseres stattfinden wird und muss. Und es wird stattfinden, ich weiss es!

Es ist noch nicht einmal mehr als eine Dreiviertelstunde her und ich fühle noch immer den zarten und warmen Druck ihrer Hand auf meinen Arm. Es war auf dem Nachhauseweg von der Kanti. Beim Bellevue fiel mir dieses Mädchen auf; sie war grossgewachsen, schlank und hatte natürlich gelocktes, braunes Haar, um das herum sie ein geflochtenes Lederband trug. So eins, wie es früher die Hippies hatten. Irgendwie mag ich diese Lederbänder, ich mag auch diese Zeit und die Musik, die sie damals spielten. Aber am meisten mag ich dieses Mädchen. Von Beginn weg. Ich mochte ihre weisses, luftiges Sommerkleid, das sie wie ein Engel erscheinen liess. Ich mochte die Art wie sie lachte, wenn eines der Mädchen in ihrer Runde einen Witz machte und ich mochte ihren Blick, der stets dann und wann in die Ferne wanderte und von einer verborgenen Tiefgründigkeit zeugt.

Dann irgendwann kam das Vierzehner-Tram an, woraufhin sie sich von ihren Freundinnen verabschiedete und einstieg. Wie von Geisterhand gesteuert stieg ich ebenfalls zu, obschon ich eigentlich das Vierer Richtung Tiefenbrunnen hätte nehmen müssen. Im Tram stand ich direkt hinter ihr und atmete den blumigen Duft ihrer Haare ein und plötzlich war wieder dieses Kribbeln in meinem Bauch da, wie ich es schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Ich verfiel in Tagträume.

Dann beim Paradeplatz wendete sie sich plötzlich und blickte suchend umher. Möglicherweise meinte sie eine Kollegin gesehen zu haben oder was weiss ich. Jedenfalls streiften sich dabei unsere Blicke kurz. Glücklicherweise drehte sie mir jetzt nicht mehr ihren Hinterkopf zu, sondern schenkte mir die Gelegenheit, ihr Gesicht mit verstohlenen von Nahe zu mustern. Ihre Gesichtszüge waren sanft und kantig zugleich. Über den Augen ein wenig Mascara und aus den Kopfhörern ihres Ipods drang dezent Musik. Kaiser Chiefs, wenn ich mich nicht irre. Sie blickte in die Ferne und schien an etwas Schönes zu denken; in ihrem Gesicht zeichnete sich Zufriedenheit ab. Ich will sie küssen, ich will dieses Mädchen küssen, dachte ich und schloss für einen Moment die Augen. Plötzlich ein starker Ruck und das schrille Klingeln der Tramglocke. Einige Fahrgäste verlieren das Gleichgewicht. So auch sie. Wohl reflexartig riss sie ihre Hand hoch und klammerte sich an meinen Arm fest. Erschrocken von dem, was gerade geschah, starrte sie mich mit ihren grossen, tiefbraunen Augen an und sagte »Danke«, kurz nachdem sie meinen Arm losgelassen hatte. Sie lächelte. Ich lächelte. Dann blickten wir beide etwas verschämt zu Boden. Das Lächeln verliess mich aber nicht mehr. Wenig später stieg sie am Stauffacher aus. Ich hingegen blieb sitzen und brauchte erst einmal eine oder zwei Minuten, um wieder zu mir zu kommen. Ich muss sie unbedingt wiedersehen!

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