Sonntag, 25. Juli 2010

Zweiundzwanzigster Eintrag

Als ich Samstagnachts alleine und frustriert auf den Campingplatz zurückkehrte, nahm ich mir vor, es als einen schlechten Abend abzuhaken und bei Seite zu legen. Pedro machte es mir allerdings überhaupt nicht leicht diesen Vorsatz in die Tat umzusetzen, denn am morgen danach hatte er nichts Besseres zu tun, als ständig von ihr zu sprechen und Fotos von ihm und ihr herumzureichen. Ich mag Pedro ja. In der Schule haben wir es stets lustig, aber sobald es um Frauen geht, nervt er. Er ist ja total auf sie fixiert. Seine Frisur ist ihm ein Heiligtum, ständig schwitzt er im Fitnesskeller, um Muskeln aufzubauen und dann diese beiden Goldkettchen die er am Hals und am Arm trägt...Pedro heisst eigentlich Mischa und seine Eltern sind beide Schweizer, aber wir haben ihm irgendwann einmal den Spitznamen Pedro verpasst, weil er sich stets wie einer dieser eitlen Latinos aufführt.

Pedro nervte jedenfalls von dem Moment an, an dem er seine Klappe aufmachte

'Ey Jérôme, was war denn gestern mit dir los? Du warst ja total schlecht gelaunt - und das schon am ersten Abend?! War doch voll geil!'
'Naja'
'Was jetzt? Schau mal hier? Wir haben noch einige Fotos gemacht. Damn, schau dir mal dieses Girl an, sie ist total heiss!'

Pedro zeigte auf seinem neuen Iphone einige Fotos. Immer wieder Pedro und Lynn; mal knutschend, mal lachend, mal sich umarmend. Zwischendurch einige Fotos von Mick, der einen ziemlich schlechten und betrunkenen Eindruck machte. Mick lag auch jetzt noch irgendwo im Halbkoma herum. Er hat so diese Angewohnheit, sich total wegzuklatschen, wenn er mal mit Saufen angefangen hat.

'Jaja, ist sehr toll' raunte ich zu Pedro, nur damit er endlich mit den scheiss Fotos verschwand.
'Hey was ist denn mit dir los? Sag mal, bist du eifersüchtig oder was?'
'Sicher nicht. Es geht mir einfach auf die Nerven, dass du ständig mit deinen Frauengeschichten angeben musst. Hast du den nichts Anderes in deinem Leben? Es kommt mir so vor. Du definierst dich so sehr durch das?'
'Hä? Spinnst du jetzt völlig? Was spricht schon dagegen? Warum sollte ich es nicht tun, wenn es mir Freude bereitet? Und ist doch ausserdem etwas Schönes. Ihr hat es ja auch gefallen. Hättest dich ja mit ihrer Schwester vergnügen können'
'Mhm. Die war dämlich'
'Bullshit. Das ist doch riesen Bullshit, Jérôme. Beim Rumknutschen ist es doch völlig egal, wie die ist. Soll ich dir etwas verraten? Du hast dich einfach nicht getraut und jetzt bist du wütend!'

Ich begann wütend zu werden. Woher nimmt dieser Idiot eigentlich die Frechheit, mir so einen Mist zu unterstellen? Eigentlich hatte ich aber in diesem Moment weder Lust noch Kraft, um noch gross mit Pedro über diesen Blödsinn zu streiten. Zum Glück sah er es an einem gewissen Punkt auch ein und entschuldigte sich sogar.

'Ok Jérôme. Keine Frauengeschichten mehr in diesen Ferien. Ich nehm mich zurück. Sorry, alter.'
'Schon gut'

Im selben Moment hörten wir hinter uns Würggeräusche und saftiges Plätschern. Es kam von Mick, der soeben aufgestanden war und gestern wirklich genug getrunken hatte.

Den Rest des Tages verbrachten wir am kleinen Sandstrand, über den der Campingplatz verfügt. Wir genossen die Sonne, dösten vor uns hin und warteten auf den Abend. Der Abend, der dann kam, war anders als die vielen Abende, die wir sonst schon erlebt hatten. Es zog uns in die Stadt, natürlich, wie üblich. Anders als sonst tranken wir aber keinen Schluck Alkohol. Pedro trinkt sowieso nie sonderlich viel, ich hatte irgendwie keine Lust und Mick, nun ja, Mick wurde schon nur beim Wort Alkohol wieder schlecht.

Wir zogen durch Locarnos' Gassen und Strassen, auf der Suche nach einem guten Club oder ja, halt einfach einem, der besser zu sein versprach, als der Gestrige. Wir gingen eine ziemliche Weile umher, sahen aber nirgends etwas, das uns wirklich gefiel. Dann aber, es war irgendwo in der Nähe des Bahnhofs, hörten wir dumpfe Bässe, die aus der Richtung eines alten Fabrikgebäudes kamen. Die Musik zog uns an, wie Licht die Mücken anzieht. Sie war irgendwie eigenartig, nicht das 0815-Zeugs, das wir von unseren Partys kannten.

Beim Fabrikgebäude fanden wir heraus, dass die Musik aus dem Untergrund desselbigen stammt. Auf der Gegenüberliegenden Seite stiessen wir auf eine Treppe, die in den Untergrund führte. Unten wurden wir jedoch von zwei Türstehern aufgehalten, die etwas auf Italienisch faselten. Wir verstanden natürlich nur Bahnhof. Einer der Beiden erklärte daraufhin dann in gebrochenem Englisch "This no place for you guys". Pedro meinte daraufhin "Oh come on, we're good guys" und zog ein pedrotypisches Blendamed-Lächeln auf. Das kam irgendwie an. Jedenfalls begannen die Beiden miteinander zu verhandeln und plötzlich meinte der Eine, der uns zuvor noch abweisen wollte: "It's ok. Have fun!" und öffnete uns die Türe.

Wir traten in einen schlauchartigen und düsteren Gang, der von grün- und blaugefärbten UV-Röhren beleuchtet war. Die Wände waren versprayt und der Verputz bröckelte. Es waren nicht sonderlich viele Leute in diesem Raum. Vereinzelt standen sie in kleinen Grüppchen herum und sprachen über Dinge, die wir nicht verstanden. Mussten wir auch nicht, denn man merkte auch so, dass sie gut gelaunt und amüsiert waren.

Die Musik indes kam aus dem Raum am Ende des Schlauchganges. Durch eine fensterlose Tür trat man herein in einen nicht sonderlich grossen, aber auch nicht kleinen Raum. 15 auf 15 Meter vielleicht. Drinnen empfing uns eine angenehm schwüle Hitze. Der Raum war niedrig und dunkel. Schummrige und ungleichmässig über den Raum verteilte Lichtquellen, sowie ein Stroboskop das seine charakteristischen Lichtfetzen in den Raum schickte, erhellten selbigen. Wir konnten erkennen, dass die andern Partygäste deutlich älter als wir selbst waren. Die waren sicherlich 30 oder älter. Und auch die Musik lag irgendwie vor unserer Zeit. Aber sie war gut und zog uns in ihren Bann. Wir begannen mitzutanzen. Zuerst zögerlich, dann immer heftiger und losgelöster. Und auch die Andern um uns herum schienen völlig losgelöst zu sein und tanzten extatisch mit. Sie pfiffen zum Tackt der Musik und stiessen bei jedem neuen Lied Freudesschreie aus. Auf einem Podest, leicht erhöht über dem Rest der Leute, stand ein Typ mit einer Buschtrommel und trommelte wie ein Besessener darauf herum. Lied für Lied und immerzu mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht. Derweil schien es immer heisser im Raum zu werden, denn von der Decke begann Kondenswasser zu tropfen. Stören tat uns das jedoch nur wenig. Auch wir erlagen dem Bann der Musik und des Augenblicks. Wir tanzten. Die ganze Nacht hindurch und dies ohne einen Tropfen Alkohol. Gegen 5 Uhr verliessen wir den Ort. Zürich in aller Ehre, aber so eine geile Party haben wir dort noch nie erlebt!

Hier noch einer der Tracks, die dort so liefen. Dank Shazaam gefunden ;)

4 Kommentare:

  1. Hey (:
    Ich hab gerade etwas in deinem Blog gestöbert und ich finde dass du gut schreibst :)
    Liebe Grüße.
    Josy.

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  2. ja, du hast wirklich einen tollen schreibstil. macht großen spaß deinen blog zu lesen und man kann sich alles sehr genau vorstellen :).
    bin gespannt auf mehr.

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  3. hey, tue mir einfach nur einen gefallen: hör nie wieder auf zu schreiben!

    ...den club und die atmosphäre dort konnte ich mir gerade bildlich vorstellen. scheint ein echt toller abend gewesen zu sein!

    bin jetzt schon gespannt, wie's weitergeht!

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  4. Hey ihrs! Vielen Dank! Es ist schön zu hören, wenn man etwas kann, was anderen Menschen Freude bereitet :) Vielen Dank, dass ihr hier mitlest!

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